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Der vermessene Mars

Allgemein

Der vermessene Mars
Forscher finden Hinweise auf verschüttete Flußläufe. An Bord des Mars Global Surveyor arbeitet das Lasermeßgerät Mola. Mit ihm haben Wissenschaftler ein Höhenrelief des Roten Planeten erstellt, das der Erforschung unseres Nachbarn völlig neue Perspektiven eröffnet. Wahrscheinlich existierte einst in der nordpolaren Tiefebene ein großer Ozean.

Seit Ende 1997 zieht der Mars Global Surveyor seine Runden. Aus etwa 400 Kilometern Höhe fotografiert er die Oberfläche des Roten Planeten und hat dabei bereits eine Reihe faszinierender Phänomene entdeckt – darunter Sanddünen, Spuren von Staubtornados oder Löcher im Eis der Südpolkappen. An Bord der Sonde ist neben Hochleistungskameras auch „Mola”, das Mars Orbiter Laser Altimeter. Das 28 Kilogramm schwere Instrument hat es in sich: Zehnmal pro Sekunde schießt ein Infrarotlaser einen wenige Zentimeter breiten Strahl zur Oberfläche des Planeten. Er wird von dort reflektiert und nach wenigen Tausendstelsekunden von einem Parabolspiegel an Bord des Surveyor aufgefangen. Aus der Laufzeit zwischen dem Senden und Empfangen eines Impulses läßt sich der Abstand der Sonde zur Oberfläche ausrechnen. Mola rastert so den gesamten Planeten ab, und ein Computer erstellt daraus eine Höhenkarte. Das derzeit aus über 200 Millionen Meßpunkten bestehende Relief ist durchschnittlich bis auf 30 Meter, in einigen Gebieten sogar bis auf einen halben Meter genau. Damit ist die Oberfläche des Mars global genauer vermessen als die der Erde! In Zahlen gefaßt ist jetzt auch die schon seit langem bekannte merkwürdige Zweiteilung des Planeten: Während sich auf der gesamten Südhalbkugel ein mächtiges Gebirge auftürmt, dehnt sich auf der Nordhalbkugel die größte und glatteste Fläche im Sonnensystem aus. Auffällig ist auch, daß die Gebirge von Einschlagskratern übersät sind, während das nördliche Becken sehr eben ist. Die Gebirge müssen demnach viel früher entstanden sein als die Tiefebene. Wie diese Zweiteilung zustande kam, ist ein Rätsel. Eine frühere Vermutung, wonach sich das Nordpolbecken durch den Einschlag eines riesigen Planetoiden gebildet hat, bestätigen die neuen Meßdaten nicht. Mit einem Trick gelang es den Geologen nämlich, sogar einen Blick unter die Oberfläche zu werfen.

Wäre der Mars im Innern völlig gleichmäßig aufgebaut, würde die Sonde stets mit derselben Geschwindigkeit fliegen. Aber es gibt unter der Oberfläche Bereiche, in denen das Gestein verdichtet oder aufgelockert ist. Dort herrscht dann eine etwas größere beziehungsweise etwas geringere Schwerkraft. Die Sonde wird entsprechend über dichteren Gebieten stärker beschleunigt als über weniger dichteren. In den auf der Erde empfangenen Radiosignalen äußern sich diese Sprünge durch Änderungen in der Frequenz. Bis auf 20 Zentimeter pro Stunde genau können die NASA-Techniker mit Hilfe dieser sogenannten Doppler-Verschiebung den Umlauf der Sonde verfolgen. Da man das Oberflächenprofil kennt, ergibt sich aus den Umlaufdaten die Gesteinsverteilung im Innern des Planeten. Das Ergebnis: Die Kruste spiegelt nicht die topographische Zweiteilung der Oberfläche wider. Vielmehr nimmt ihre Dicke nahezu kontinuierlich vom Süd- zum Nordpol von etwa 75 Kilometer auf 35 Kilometer ab. Wenn die nördliche Tiefebene durch einen Einschlag entstanden wäre, müßte sich der Abdruck noch heute in der Kruste erkennen lassen. Um die Entstehung des Flachlands zu erklären, greifen einige Mars-Forscher eine Hypothese auf, die stets verpönt war: Plattentektonik. Durch dieses nur auf der Erde bekannte Phänomen kühlt das Innere eines Planeten sehr schnell aus. Kurz nach seiner Entstehung war der Mars innen sehr heiß. Wenn seine Kruste damals unbeweglich gewesen wäre, hätte sie das Innere abgedeckt wie ein Deckel den Kochtopf. Dann hätte sich der Planet sehr langsam abgekühlt, und es wäre viel Zeit geblieben, um eine dicke Kruste zu bilden. Hätte es jedoch Plattentektonik gegeben, wäre der Mars wesentlich schneller erkaltet. Denn durch die aufbrechende Kruste wäre Lava ausgetreten, abgekühlt und wieder ins Innere abgesunken. In diesem Fall bildet sich eine verhältnismäßig dünne Kruste aus – wie jetzt auf dem Mars beobachtet wurde. „Ich neige immer mehr zu einer Erklärung durch Plattentektonik”, meinte kürzlich David Stevenson, Mars-Forscher am California Institute of Technology.

Denkbar ist auch, daß unter der heutigen Ebene einst eine riesige Magmablase aufstieg und das Terrain anhob. Später sackte es dann wieder einige Kilometer tief ab. Egal, was sich genau abgespielt hat, es muß in einer sehr frühen Phase des Planeten geschehen sein. Denn da unser Nachbarplanet wesentlich kleiner als die Erde ist, war er bereits etwa 500 Millionen Jahre nach seiner Entstehung ausgekühlt. Nur innerhalb dieser verhältnismäßig kurzen Zeitspanne kann der Mars geologisch aktiv gewesen sein. Doch diese Erklärung wirft ein Problem auf. Ihr zufolge müßte die Ebene bereits vier Milliarden Jahre alt sein. Der geringen Zahl an Einschlagskratern nach zu urteilen, ist sie aber wesentlich jünger. Sie muß also nachträglich geglättet worden sein. Das bestätigten Beobachtungen von Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology und ihre Mitarbeiter: Sie fanden in der Planetenkruste des nördlichen Beckens eine Reihe von verschütteten Kratern. Vielleicht haben Schlamm- und Gesteinsablagerungen in einem ehemaligen Ozean das nördliche Gebiet eingeebnet. Dafür sprechen zumindest die neuesten Mola-Daten. So entdeckte das Team um Maria Zuber, daß zwei große Kanäle, die aus den Gebirgen kommen und in die Ebene münden, sich unter der Oberfläche fortsetzen. Aufgefüllt sind sie mit Material, das leichter als das normale Krustengestein ist, wodurch die Kanäle in der Krustenkarte erkennbar sind. Das Vallis Marineris und das Kasei Vallis lassen sich noch über mehrere 1000 Kilometer weit in die Tiefebene hinein verfolgen. Sie sind etwa 200 Kilometer breit und ein bis drei Kilometer tief. Es ist durchaus denkbar, daß hier einst gewaltige Wassermassen aus den Gebirgen in das nördliche Becken flossen und dabei Schlamm mit sich schleppten, der später den Boden bedeckte.

Da jetzt die Topographie des nördlichen Beckens bekannt ist, läßt sich auch ermitteln, wie der damalige Ozean bei unterschiedlichen Wassermengen ausgesehen haben muß. So fand James Head von der Brown University in Providence, Rhode Island, heraus, daß bei einer maximalen Wassertiefe von 500 Metern zwei große Seen in der Nordpolgegend existiert haben müssen, während bei 1000 Meter maximaler Wassertiefe die Landbrücke zwischen beiden überflutet gewesen wäre. Das gesamte nördliche Becken, das etwa ein Drittel der Planetenoberfläche einnimmt, hätte einige Dutzend Millionen Kubikkilometer Wasser gefaßt – rund ein Zehntel des Atlantischen Ozeans.

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Es gibt mittlerweile sogar Hinweise darauf, daß die Wassermassen nicht gleichmäßig, sondern in mehreren Schüben in den Ozean geströmt sind. Zum einen deuten die Mola-Messungen auf zwei terrassenförmige Ränder des nördlichen Bassins hin. Sie könnten durch Ablagerungen im Ozean entstanden sein, der zeitweilig unterschiedlich weit ausgedehnt war. Zudem gibt es seit kurzem auch Querschnitte durch einige der mutmaßlichen Ausflußkanäle. Manche haben stufenartige Ränder – vielleicht die Folge unterschiedlicher Wasserstände von Flüssen. Die Analyse der Kanäle steht erst am Anfang. In den nächsten Monaten werden die Mars-Forscher deren Formen und Gefälle studieren. Daraus können sie abschätzen, wie schnell und wieviel Wasser geflossen ist – sofern es wirklich Wasser war.

Thomas Bührke

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