Kostenrechnung pro Kalorie
Ohne Zweifel ist Tierhaltung, bzw. Fleischproduktion ein sehr wichtiger Teil der Frage, wie die Menschen die Umwelt beeinflussen. Sie verursacht ein Fünftel des globalen Treibhausgasausstoßes und nimmt große Landflächen und Ressourcen in Anspruch. Aber bisher waren immer nur Einzelaspekte wissenschaftlich untersucht worden. Milchprodukte galten als vertretbar, Rinder wurden zu Klimasündern erklärt, nur verlässliche Daten waren schwierig zu bekommen. Doch das könnte sich jetzt ändern. In einer neuen Studie des Weizmann Institute of Science in Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern sind die Autoren den wirklichen ökologischen Kosten von Rind, Huhn, Schwein, Eiern und Milchprodukten auf den Grund gegangen und haben sie miteinander verglichen.
In den USA untersuchten sie die Daten von Freilandfarmen und großen Mastanlagen und errechneten für jedes Produkt die genauen ökologischen Kosten pro Kalorie oder Proteineinheit. Dabei mussten die Wissenschaftler sehr viel unterschiedliche Faktoren beachten: eine Rinderherde im weiten Westen des Landes beispielsweise verbraucht viel Platz, aber deutlich weniger Wasser als Tiere in Ställen, die sich hauptsächlich von Futtermais ernähren. Dafür ist der Anbau dieses Futtermittels mit viel Wasser- und Stickstoffverbrauch verbunden. Jeder dieser Kostenpunkte hängt zudem mit vielen anderen biologischen Faktoren zusammen. Ein hoher Landbedarf etwa beeinträchtigt auch die Biodiversität, die Treibhausgase hängen eng mit der Entwicklung des Klimas zusammen.
Weniger Rindfleisch schont die Umwelt
Das klare Ergebnis der Analyse: Der weitaus größte Einflussfaktor ist der Rindfleischverbrauch. Im Vergleich zu sämtlichen anderen untersuchten Tierprodukten verbraucht jedes Rind 28 Mal so viel Land, 11 mal so viel Bewässerung, sechs mal so viel Stickstoff und ist für fünf mal so viel Treibhausgas verantwortlich wie alle anderen untersuchten Produkte. Das ist im Durchschnitt ein Unterschied von einer Größenordnung (10 mal mehr). Die ökologischen Kosten für Eier, Milchprodukte, Hühner- und Schweinefleisch liegen alle auf etwa einer Ebene deutlich darunter. Diese große Lücke war es, die die Autoren der Studie am meisten überraschte.
Die Frage ‚lieber Rind oder Hühnchen?’ lässt sich somit ganz einfach beantworten – zumindest ökologisch gesehen. Die Produktion der Mengen von Rindfleisch, die heute gegessen werden, ist extrem ressourcenineffizient. Für jede Kalorie, die ein Mensch verwerten kann, müssen rund 35 an die Tiere verfüttert werden. Im Alltag der Menschen ist diese Erkenntnis aber noch nicht angekommen. In den USA werden 7 Prozent aller Kalorien über Rindfleisch aufgenommen und auch in Deutschland essen die Menschen im Durchschnitt viel mehr tierische Produkte als empfohlen. Auch die beliebteste Nährstoffquelle, nämlich Milchprodukte, sind keineswegs ideal. Sie kommen in der Studie schlechter weg, als erwartet. Was in der Studie allerdings noch fehlt, ist die genaue Betrachtung von Pflanzen wie Soja und Bohnen, die häufig als alternativer Proteinproduzent ins Spiel gebracht werden. Auch ihre Produktion verlangt eine Menge Land und Wasser, die in der vorliegenden Studie nicht in den Vergleich eingeflossen sind. Das, so die Autoren, müsse in zukünftigen Arbeiten untersucht werden, um das Bild Stück für Stück zu vervollständigen.
Ein Aufruf an die Politik
Ron Milo, Hauptautor der Studie hofft, dass diese Ergebnisse sowohl Einfluss auf die Ernährung jedes Einzelnen haben werden, wie auch auf die Landwirtschaftspolitik. Welche Art von Anbau wird bezuschusst, wo müssen neue Gesetze her? Denn neben dem Umweltschutz dient eine geringere Beanspruchung der Umwelt auch der globalen Versorgungssicherung. Die aktuellen Ergebnisse stützen sich zwar auf Daten aus den USA, doch man kann davon ausgehen, dass die prinzipiellen Tendenzen auch für andere Länder gültig sind. Viele der amerikanischen Gewohnheiten und Strukturen sind inzwischen weltweit verbreitet. Doch noch wichtiger ist Milo, endlich ein Instrument zu haben, mit dem eine Vergleichbarkeit geschaffen werden kann. „Die Berechnungsmodelle, die wir für diese Studie entwickelt haben, können erweitert und verfeinert werden und dann beispielsweise auch auf pflanzliche Lebensmittel angewendet werden.” Dabei geht es ihm gar nicht nur um den privaten Verzicht auf Fleisch, sondern vor allem um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge. So zeigt die Studie beispielweise auch, welche Teilbereiche der Produktion am schädlichsten sind und wo Verbesserungspotenzial besteht.
Quelle: Gidon Eshel, Alon Shepon, Tamar Makov, and Ron Milo. Land, irrigation water, greenhouse gas, and reactive nitrogen burdens of meat, eggs, and dairy production in the United States . PNAS, July 2014 DOI: 10.1073/pnas.1402183111
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