Und was wird alles geboten?
Es gibt sehr viel. Hier wächst zum Beispiel Topinambur, Radieschen, ganz viele Kräuter und natürlich auch die sieben Kräuter der Frankfurter Grünen Soße. Wir haben hier auch Heilpflanzen und essbare Blumen. Es geht aber vor allem um das Gemüse. Es gibt auch Hochbeete, die verkauft werden. Dann finden hier Veranstaltungen, Seminare und Workshops statt. Außerdem wird es noch einen Gartenkiosk geben, in dem wir dann die Produkte aus dem Garten verkaufen werden.
Wie kann man sich beteiligen, wer kann mitmachen?
Es ist ein Gemeinschaftsgarten, in dem man gärtnern kann. Hier hat keiner seinen eigenen Garten oder ein Beet, das er mietet, sondern man macht alles gemeinschaftlich. Wenn jemand eine Pflanze mitbringt und sie einpflanzt, ist man nicht automatisch für diese Pflanze verantwortlich. Wenn man zum Beispiel in den Urlaub fährt, kümmert sich auch immer jemand darum. Bei so einem partizipativen Projekt kommen die Leute ständig auf neue Ideen. Das ist super!
Es gibt ja immer mehr Projekte des städtischen Gärtnerns. Worin liegt der Unterschied zu anderen “community gardens”?
Als wir wussten, dass wir genügend Gelder zusammen bekommen, um eine Stelle besetzen zu können, sind wir es angegangen. Viele andere „community gardens” werden eher spontan gegründet. Aber wir hatten eine feste Vorstellung, die wir auch umsetzen wollten. Das fängt zum Beispiel beim Wochenmarkt an. Es soll bald einen Verkaufsstand geben, an dem unsere Gartenprodukte verkauft werden. Die Preis-Struktur für den Wochenmarkt wird im Gartenclub noch entwickelt. Das Geld geht dann in den Verein und wird für neues Saatgut oder Reparaturen verwendet.
Und wie teuer ist denn das Projekt?
Wir haben jetzt mittlerweile 100.000 Euro nur an Sachspenden bekommen. Das geht über die Pflanzenerde bis hin zu einem Einkaufsgutschein von 10.000 Euro von einem Baumarkt. Wir wollen zukünftig auch Hochbeete als “Frankfurter Garten-Kiste” verkaufen und nicht nur von Sponsoren- oder städtischen Geldern abhängig sein. Ein weiterer Umsatz geht über die Gastronomie und über Veranstaltungen. Denn es müssen Wasserkosten, Stromkosten, Werbematerial und Versicherungen bezahlt werden. Da kommt einiges zusammen und der größte Batzen sind eigentlich die Personalkosten, die wir immer noch nicht gedeckt haben. Im Moment sind bis heute vom engen Vereinsteam ungefähr 2500 Arbeitsstunden unentgeltlich eingeflossen.
Sie machen das im Moment also nicht um Geld zu verdienen, sondern weil es Ihre Passion ist?
Es ist auf jeden Fall unsere Vision, miteinander in der Stadt gemeinschaftlich an einem guten Projekt zu arbeiten. Wir haben einmal gesagt, wir wollen ein ehrliches Projekt machen. Und das fängt damit an, dass man sich überlegt, wo man seine Flyer druckt. Das ist nicht immer alles so einfach, aber es ist das tollste Projekt, was ich bis jetzt in meinem Leben gemacht habe. Man lernt so viele tolle Menschen und glückliche Kinder kennen. Es läuft nicht nach dem Motto: “Ich bin in meinem Kleingarten. Guck doch mal, wie groß deine Radieschen sind und schau mal, wie toll mein Salat ist!” Es entstehen Beziehungen über das Gärtnern, denn alles wird miteinander gemacht.
Welche gesellschaftlichen Schichten trifft man denn hier?
Es gibt einen harten Kern von 20 Leuten, die fast jeden Tag hier sind. Das sind Studenten, Rentner oder Berufstätige. Nach der Gartenarbeit wird dann auch gerne mal Boule gespielt. Manche wissen voneinander – und andere gar nicht, weil sie sich die ganze Zeit nur über das Gemüse unterhalten. Beim Gartenclub hat man die Gelegenheit, auch etwas mehr von den anderen zu erfahren. Wir haben in unserem Konzept eine Vision mit fiktiven Leuten beschrieben und genau die sind jetzt alle da.
Einmal zurückgeblickt: Wie ist der Frankfurter Garten entstanden?
Mir persönlich war es wichtig, wieder mit Menschen zu tun zu haben. Und ich wollte ein Projekt mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen machen. Es sollte ein Projekt sein, an dem sich viele Leute beteiligen können, von Jung bis Alt und mitten in der Stadt. Ich habe ein Praktikum in den Prinzessinnengärten in Berlin gemacht, eines der bekanntesten Urban-Gardening-Projekte. Daraufhin habe ich nach Mitstreitern gesucht und verschiedene Leute angesprochen. Jetzt sind wir ein Team von zehn Leuten im Verein, der eine Plattform bietet.
Sie wurden regelrecht inspiriert…
Genau. Wir sind aber auch nach New York geflogen. Ich war mit einer Mitbegründerin des Vereins in New York auf der Highline, einer grünen Parkanlage in Manhattan. Wir hatten davon immer nur gehört und Bilder gesehen und hatten große Erwartungen. Dann war ich total enttäuscht, als ich gesehen habe, dass diese Highline zwar wunderbar begrünt ist, es sich aber eigentlich nicht um essbare Pflanzen handelt. Die Leute sitzen dort mit ihrem “Coffee to go”, umringt von Mülltonnen. Ich bekomme schon die Krise, wenn ich Plastikmüll finde. Das finde ich nicht gut, wenn der im Garten entsorgt wird. Das ist uns wichtig und das können die Leute auch auf unseren Veranstaltungen sehen: Das, was hier wächst, kann man direkt essen. Die Menschen sollen diese Idee mit nach Hause nehmen.
Also spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle?
Ja, es ist ein ganz wichtiges Thema. Unsere Erde kommt direkt vom Rhein-Main-Bio-Kompost. Die 140 Paletten, die hier verbaut wurden, kommen aus der Umgebung. Die Betonkübel sind von der Stadt, und die Samen kommen ebenfalls alle aus der Region. Ganz wichtig ist natürlich der zukünftige Kiosk-Betrieb. Es geht vor allem darum, dass wir Sachen vertreiben aus maximal 100 Kilometer Entfernung. Ein Beispiel ist die Geschirrbenutzung auf dem letzten Mädchenflohmarkt. Da hatten wir 1000 Besucher und wir wollten kein Einweggeschirr. Das war wahnsinnig viel Arbeit, aber die ehrenamtlichen Helfer haben alle mitgearbeitet und gespült. Der Garten soll den Leuten eine ganzheitliche Vision von einem besseren Leben geben.
Möchten Sie durch den Garten erreichen, dass sich die Leute gesünder ernähren?
Es geht uns vor allem um die regionale und saisonale Ernährung. Gerade die Kinder lernen das hier. Ein junges Mädchen kommt jeden Tag in den Garten, gießt ihre Pflanzen und kümmert sich um die jüngeren Kinder. Denen drückt sie die Gießkanne in die Hand und dann gießen sie alle zusammen. Das ist ein wichtiger Punkt, dass die Kinder sehen, was in der Stadt und in der Region wächst.
Also wollen Sie Menschen – und insbesondere den Kindern – gezielt etwas beibringen?
Ja. Wir wollen jetzt mit Schulklassen zusammen Hochbeete bauen. Die Schüler können diese dann auch mit in die Schule nehmen. Der Vorteil an einem Hochbeet ist, dass man sie auf jede Fläche stellen kann, weil sie keinen Mutterboden, sondern die Erde im Behälter haben. Dazu kommt noch, dass Hasen und Schnecken nicht dran gehen. Vor allem ältere Leute arbeiten sehr gerne an den Hochbeeten. Deshalb wollen wir gerade die Hochbeete in die Stadt bringen.
Das Projekt läuft jetzt seit Mai. Wie groß ist das Interesse für den Frankfurter Garten?
Am ersten Tag kamen 300 Leute, da wir im Vorfeld eine starke Pressearbeit gemacht haben. Da kamen auch viele Leute, die danach nicht wieder auftauchten. Jetzt ist es so, dass wir im engen Kreis um die 70 ehrenamtliche Leute haben, die immer wieder kommen. Die kennt man auch mit Namen. Und: Es sind schon viele Freundschaften entstanden.
Das Interview führten Anna Zischka, Nina Reisinger und Elisabeth Radecki.
Fotos: Stauke/fotolia.com; Daniela Cappelluti
Zur Person:
Daniela Cappelluti, 44, studierte Sozialarbeit und ist Gründerin des Frankfurter Gartens. Getrieben von der Sehnsucht zur Natur widmet sie sich hauptberuflich dem grünen Projekt.
Zukunft Leben: die Interview-Serie der Hochschule Darmstadt
Genau 300 Jahre, nachdem der Begriff der Nachhaltigkeit in der sächsischen Fortwirtschaft erfunden wurde, sind nachhaltige Themen in aller Munde: Ob Energiewende, Klimapolitik, Agrarreform, E-Autos oder urbanes Gärtnern – überall grünt es. Wie vielschichtig die Diskussion geworden ist, macht die neue Interview-Reihe auf natur.de deutlich. Unter der Überschrift “Zukunft Leben” haben 23 Journalismus-Studierende der Hochschule Darmstadt führenden Experten zu unterschiedlichsten grünen Fragen interviewt – sachlich, kritisch und mit dem Blick nach vorn. Sie haben auch selbst gefragt, wie sich grüner leben lässt und ließe. Über ihre Versuche, Utopien und Fragen bloggen sie unter “Zukunft Leben”