Das Verhältnis des Menschen zu den Ratten schwankt zwischen Faszination, Ekel und Grauen. Die Journalistin Heide Platen versucht, die langschwänzigen Allesfresser mit ihrem Buch ins rechte Licht zu rücken.
Sachlich schildert sie die Herkunft und das komplexe Verhalten der Gattungen Rattus ratus – und der in Europa weit verbreiteten Wanderratte Rattus norvegicus. Beider Heimat ist Ost- und Südostasien. Die sich selbst widrigsten Umweltbedingungen rasch anpassende Wanderratte ist auch die Urmutter jener Tiere, die der Mensch gänzlich in seine Dienste genommen hat: der weißen Laborratten. Die für Versuchszwecke gezüchteten Exemplare haben ein eigenes Kapitel bekommen.
Die Autorin betrachtet die Nager nicht nur aus biologischem Blickwinkel. Mit flotter Feder beschreibt sie deren Rolle in den Künsten: in alten und neuen Märchen, in der Literatur, im Kino oder in der politischen Karikatur. Die Bedeutung der Ratten in Horoskopen – ausnahmsweise nicht als Ekeltiere, sondern als weise Geschöpfe – oder ihre phantasievolle Verwendung in den Kochtöpfen der Welt komplettieren das Rattenportrait.
Um Objektivität bemüht, hat Heide Platen Experten danach befragt, ob wohl ein Körnchen Wahrheit in mancher Gruselgeschichte über Ratten enthalten sein könnte. Fressen sie wirklich kleine Kinder? Was ist dran an Meldungen über gewaltige unterirdische Rattenheere, über unkontrollierbare Riesen- und Killerratten?
Derzeit erleben die Dickschwänzigen einen erstaunlichen Boom – nicht als unerbittlich verfolgte Schädlinge, sondern als treusorgend umhätschelte Haustiere. Mancher Besitzer trägt seine Ratte stolz als Statussymbol auf den Schultern. Und Kinder schreiben neuerdings Ratten als Schmusetiere auf ihren Wunschzettel.
Heide Platen DAS RATTENBUCH Campus Frankfurt 1997 262 S., DM 39,80
Claudia Eberhard-Metzger