Die Entdeckung der “Züricher Oxide” vor zehn Jahren löste Euphorie aus: Diese keramischen Werkstoffe leiten verlustfrei Strom, ohne – wie metallische Supraleiter – fast bis zum absoluten Nullpunkt (null Grad Kelvin) gekühlt werden zu müssen. Aber die spröde Keramik läßt sich immer noch schwer zu technisch Nutzbarem formen, etwa zu Kabeln. Der Marktdurchbruch in den USA zeichnet sich denn auch auf einem unerwarteten Einsatzgebiet ab.
Die vermummten Techniker im staubfreien Reinraum der Firma Conductus erinnern an die Computerchip-Herstellung. Die dunklen Chips, an denen sie arbeiten, bestehen allerdings nicht aus Silizium. Sie wurden aus exotischen Materialien wie Saphir und Lanthan-Aluminat geschliffen. Und was wie eingeätzte Schaltkreise aussieht (siehe Foto rechts oben), sind Resonanzfelder aus hauchdünner, supraleitender YBCO-Keramik (Yttrium-Barium-Kupferoxid).
Was hier gefertigt wird, sind elektronische Filter. Sie können Mikrowellen-Frequenzen scharf voneinander trennen und das störende Hintergrundrauschen unterdrücken. Dazu müssen die Komponenten allerdings auf 77 Kelvin (minus 196 Grad Celsius) gekühlt werden.
“Unser Filter hat 19 Pole oder Resonanzfelder. Mit Kühlmaschine und Kompressor nimmt er zwar mehr Raum ein als ein zigarrenschachtelgroßer, konventioneller Kupferfilter”, erklärt Marketingmanager Duncan MacMillan und stellt die Geräte nebeneinander. “Doch ein Kupferfilter verfügt nur über begrenzte Selektivität: Er kann höchstens mit neun Polen bestückt werden.”
Die leistungsstärkeren supraleitenden Bandfilter sind besonders bei den Betreibern von Mobilfunknetzen in ländlichen Gegenden gefragt: Je größer die Distanz, aus der die schwachen Mikrowellen-Signale noch zu empfangen sind, desto weniger Relais-Stationen müssen errichtet werden.
Der Netzbetreiber Cellcom in Wisconsin gibt an, er habe beim Test der Conductus-Filter festgestellt, daß 20 Prozent weniger Kunden als zuvor wegen Signalverlust aufhängten – gut genug für die Firma, um gleich die Testfilter zu kaufen.
In ein bis zwei Jahren dürften supraleitende Bandfilter auch für den städtischen Mobilfunk unverzichtbar sein, spekuliert MacMillan: Wenn die neuen “Personal Communication Services” (PCS) – digitale Mobilfunknetze – in den USA weiterhin billiger und populärer werden, müssen die Kanäle immer schärfer voneinander zu trennen sein. Ähnliche Überlegungen lassen allerdings auch Konkurrenten in dieser Marktnische aktiv werden. Noch ist nicht absehbar, wie groß der Markt für supraleitende Komponenten in der Kommunikationstechnik wird.
Auch Paul Grant vom Electric Power Research Institute (EPRI) im kalifornischen Palo Alto arbeitet an der Markteinführung der Supraleitungstechnik. Doch sein Arbeitgeber – die Stromversorgungs-Industrie – ist konservativer und plant langfristiger als die Firmen in der Kommunikations-Branche.
Das EPRI beteiligt sich an einem Konsortium, das die erste Generation von supraleitenden, im Boden verlegten Kabeln aus gewickelten BSCCO-Fasern (Wismut/Strontium/Kalzium/ Kupferoxid) herstellen will. Parallel arbeitet EPRI mit der American Superconductor Corporation (ASC) in Westborough/ Massachusetts zusammen, um die zweite Kabel-Generation aus YBCO voranzutreiben. Dieses Mischoxid kann höhere Magnetfelder aushalten als BSCCO: “Das könnte der Durchbruch sein”, vermutet Grant.
Gleichgültig, aus welchem Material sie schließlich gefertigt sein werden: Supraleitende Kabel und Transformatoren wird die Stromwirtschaft frühestens nach einer fünf- bis zehnjährigen Testphase in ihre Netze integrieren, schätzt der EPRI-Forscher. Bei anderen Anwendungen, etwa Elektromotoren, könnten sich supraleitende Fasern schneller durchsetzen.
Conductus Die 1987 gegründete Firma in Sunnyvale/Kalifornien entwickelt supraleitende Dünnschichtfilme. Sie hofft auf Marktchancen bei Bandfiltern für Relais-Stationen (Foto), Magnetfeld-Sensoren für die Diagnostik sowie Empfängern für die Kernresonanz-Spektroskopie (Zusammenarbeit mit der Siemens AG). Die Firma ist Partner im Consortium for Superconducting Electronics, zusammen mit den Lincoln Labs sowie den Unternehmen CTI Cryogenics und Bell Labs/Lucent Technologies.
Konkurrenten Neben Conductus drängen drei weitere Firmen mit supraleitenden Komponenten auf den Kommunikationsmarkt: Superconductor Technologies (Santa Barbara/Kalifornien), Illinois Superconductor (Mount Prospect/Illinois) und SCT Corporation (Golden/Colorado).
Konsortium Vier Partner arbeiten derzeit zusammen, um supraleitende Kabel aus dem Keramikmaterial BSCCO zu entwickeln: die American Superconductor Corporation (ASC), das US-Energieministerium, das Electric Power Research Institute (EPRI) sowie der italienische Drahthersteller Pirelli. Zu den weltweit führenden Kabelentwicklern aus Supraleitern zählen die Siemens AG sowie die japanischen Unternehmen Sumitomo Electric Industries und Furukawa Cabling System.
Infos im Internet
Conductus Corporation/Links zu Supraleiter-Webseiten: http://www.conductus.com
American Superconductor Corporation (ASC): http://www.amsuper.com
Bruni Kobbe