Etwa 25 Prozent des menschlichen Gehirns dienen dazu, visuelle Reize zu verarbeiten. Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass bei Menschen, die von Geburt an blind sind (kongenitale Blindheit), die so genannte Sehrinde brach liegt. Diese Annahme wird jetzt von einer Studie israelischer Wissenschaftler der Hebrew University of Jerusalem widerlegt. Das Team um Ehud Zahory fand durch funktionale Magnetresonanz-Tomographie – eine Aufnahmetechnik, die Hirnaktivitäten misst und lokalisiert – heraus, dass bei kongenitaler Blindheit die unbeschäftigt geglaubte Region beim Ertasten von Braille-Schrift und bei der verbalen Wiedergabe von Gemerktem aktiviert wird. Zohary: „ Kongenitale Blindheit führt zu einer drastischen Reorganisation der Sehrinde und zu herausragenden kognitiven Fähigkeiten. Frühere Studien haben gezeigt, dass diese Fähigkeiten bei blind Geborenen besonders stark entwickelt sind. Jetzt wissen wir, warum.” Der Befund bestätigte sich durch die Untersuchung von Sehenden: Als sie vor die gleichen Gedächtnisaufgaben gestellt wurden wie die Blinden, zeigte sich keine Aktivität ihrer Sehrinde.
Hans Groth