Steckdose und Co. müssen versorgt werden: Das gigantische Hochspannungsleitungs-System Deutschlands, muss sichern, dass elektrische Energie vom Erzeugungsort bis zu den Verbrauchern gelangt. Um den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung zu erhöhen, ist es nun teilweise notwendig, die bestehenden Stromnetze sogar noch deutlich auszubauen. Damit rücken erneut Fragen in den Fokus, inwieweit die magnetischen Felder der Leitungssysteme die Gesundheit von Mensch und Tier beeinträchtigen können.
Klar ist: Oberhalb der geltenden Grenzwerte können starke elektrische und magnetische Felder zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ob es aber auch auch unterhalb der Grenzwerte kritische Effekte gibt, ist unklar, bestätigt das Bundesamt für Strahlenschutz. Einige Studien haben negative Effekte nahegelegt, andere konnten dies allerdings nicht bestätigen.
Effekte sind bislang fraglich
Einige Untersuchungen legten beispielsweise einen Zusammenhang zwischen einem Effekt auf die Melatoninproduktion nahe, der hinter gehäuften Fällen von Kinderleukämie in der Nähe von Hochspannungsleitungen stecken könnte. Eindeutig nachweisbar war dies bislang jedoch nicht. Mal waren die Melatonin-Konzentrationen bei Tieren erhöht, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen gehalten wurden, mal verringert und manchmal blieben sie unverändert. Das Schlafhormon erfüllt bekanntermaßen vielfältige Funktionen. Es steuert die Tag- und Nachtrhythmik und stärkt das Immunsystem. Ein entsprechend ausgewogenes System soll vor Krankheiten schützen, etwa vor Krebs oder Alzheimer.
Dem möglichen Zusammenhang zwischen der Melatoninproduktion und der Wirkung von elektromagnetischen Feldern ist nun ein internationales Team aus tschechischen, deutschen und belgischen Wissenschaftlern erneut genauer nachgegangen. “Wir haben uns für Kälber als Versuchstiere entschieden, weil Bauern bereits seit Längerem darüber diskutieren, ob Hochspannungsleitungen die Gesundheit und den Ertrag ihres Milchviehs beeinflussen”, sagt Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen. Bei ihren Untersuchungen setzten sie die Tiere in speziellen Versuchsanlagen gezielt Spannungsfeldern aus, die einer praktisch relevanten Stärke entsprechen. Den Hormonspiegel der Tiere untersuchten die Forscher durch die Analyse von Speichelproben.
Jahreszeitlicher Effekt
Die Auswertungen ergaben: Die Kälbchen produzierten unter dem Einfluss der elektromagnetischen Magnetfelder tatsächlich weniger Melatonin. Interessanterweise aber nur im Winter, im Sommer verkehrte sich der Effekt sogar leicht ins Gegenteil, berichten die Wissenschaftler. “Dieser saisonale Effekt des Magnetfeldeinflusses ist eine neue Erkenntnis, die die bisherigen Studien in einem neuen Licht erscheinen lässt. Er könnte auch erklären, weshalb es bislang so uneinheitliche Ergebnisse bei Wiederholungsexperimenten gab”, sagt Burda.
Ihm und seinen Kollegen zufolge bestätigen die Ergebnisse den Verdacht von gesundheitlichen Auswirkungen. Der Effekt scheint dabei deutlich komplexer zu sein, als bisher angenommen. Der nun gezeigte saisonale Einfluss könnte sich als zentral für das Verständnis der Mechanismen erweisen, die der Wechselwirkung zwischen Magnetfeldern, vegetativer Physiologie und Gesundheit zugrunde liegen, resümieren die Forscher.
Quellen: Bundesamt für Strahlenschutz, Mitteilung der Universität Duisburg-Essen
Originalstudie: http://www.nature.com/articles/srep14206