Schon in den dreißiger Jahren hatte der Stahlmangel im Krieg Rheinschiffer auf die Idee gebracht, Beton-Lastkähne zu bauen. Daß der Verbundwerkstoff aus Steinen, Zementmörtel und Bewehrung schwimmen kann, war für die Teilnehmer der 6. Deutschen Betonkanu-Regatta also keine Frage – interessant war das “Wie”.
Der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie, Veranstalter des feucht-fröhlichen Spektakels, hatte den Kanu-Konstrukteuren reichlich Freiraum für neue Ideen gelassen. Entsprechend originell und vielfältig fielen die Ergebnisse aus. So baute das Team der Fachhochschule Würzburg sein fünfteiliges Bausatz-Boot vor den Augen der Jury zusammen – mit vorgespanntem Stahl. Daß wasserfester Beton sogar mit Bauschutt hergestellt werden kann, bewiesen die Studenten der Technischen Hochschule Darmstadt mit ihrem Ökoboot “Recycler”.
Faszinierend fanden Publikum und Preisrichter das Kanu “La Démence” (der Wahnsinn), erdacht und gebaut vom Team des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie der Universität Karlsruhe. Die Studenten um Dr. Harald Garrecht wollten den praktischen Beweis erbringen, daß es schon in der Steinzeit möglich war, ein Kanu aus Beton zu bauen.
Den Bootskörper hätten unsere Ur-Ahnen mit Sand und vulkanischer Asche als Bindemittel herstellen können – ausgesteift mit Spanten aus Rinderrippen. Bei ihren Recherchen hatten die Jungforscher herausgefunden, daß die Knochen günstige mechanische Eigenschaften besitzen: eine hohe Zug- und Biegefestigkeit bei geringem Materialgewicht.
In einem zweitägigen Wasserbad bei 70 Grad Celsius säuberten die Studenten die schlachtfrischen Rippen von Muskel- und Sehnenresten – ohne die filigranen Tragstrukturen in den Knochen und damit die Festigkeit zu zerstören. Die einzelnen Rippen verbanden die Tüftler mit selbst entworfenen Holzdübeln paarweise zu biegesteifen Bootsspanten.
Für die Verstärkung der Kanuwand verwendeten sie Naturfasergewebe aus Jute. Auch den geforderten Netto-Auftrieb von 1000 Newton erreichte das Team auf steinzeitgemäße Weise: Auftriebskörper aus geräucherten Rinderblasen hielten das Betonkanu über Wasser.
Soviel Einfallsreichtum war den Juroren dann auch eine Auszeichnung wert. “La Démence” wurde ein Sonderpreis für Technik und Originalität zuerkannt. Den “Pech-Preis” verlieh die Jury den Kanuten der Technischen Universität Dresden: Um ihren gekenterten “Starken August” über die Ziellinie zu bringen, mußte auch die Besatzung schwimmen.
Norbert Raabe