Wenn in einer Gewitternacht ein Blitz das Dunkel durchzuckt, zählt man langsam die Sekunden, bis der Donner grollt. Jeweils drei Sekunden Zeitdifferenz entsprechen einer Entfernung des Blitzes von einem Kilometer. Diese Faustregel lernen Kinder in der Schule. Die Rechnung basiert darauf, daß der Schall in einer Sekunde etwa 330 Meter zurücklegt, das Licht jedoch 300000 Kilometer. Der Lichtblitz erreicht uns praktisch sofort, während der Donnerschall vergleichsweise langsam hinterherrollt.
Als Galileo Galilei sich vor über 350 Jahren als erster ein Experiment zur Messung der Lichtgeschwindigkeit überlegte, wußte er noch nicht, ob sich ein Lichtstrahl überhaupt mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausbreitet oder ob er jede Distanz unendlich schnell überbrückt.
Mit Laternen wollte Galilei die Lichtgeschwindigkeit messen – doch der Versuch schlug fehl Galilei begab sich mit einer Blendlaterne auf einen Hügel, ein Assistent stieg ebenfalls mit einer Leuchte auf den etwa einen Kilometer entfernten Nachbarhügel. Sobald Galilei seine Laterne öffnete, sollte sein Gegenüber sofort das Signal erwidern. Aus der Zeitverzögerung zwischen dem Öffnen seiner Lampe und dem Empfang des Lichtsignals seines Assistenten wollte Galilei ermitteln, wie lange das Licht für die Gesamtstrecke von zwei Kilometern benötigte. Der Versuch schlug fehl – kein Wunder, denn der große Physiker hätte die Zeit auf eine hunderttausendstel Sekunde genau bestimmen müssen.
Der dänische Astronom Ole Römer hatte mehr Glück: Er bewies als erster, daß sich das Licht mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Römer beobachtete zwischen 1671 und 1676 den Jupiter-Mond Io. Er bestimmte die Zeitpunkte, zu denen Io hinter dem Planeten verschwand und wieder erschien und berechnete daraus die Umlaufdauer.
Zu seiner Überraschung stellte Römer fest, daß die Zeitspanne zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schatteneintritten im Lauf des Jahres um eine Viertelstunde schwankte. Der Grund: Nähert sich die Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne dem Jupiter, legt das Licht einen immer kürzeren Weg zurück, entfernt sie sich, wird die Distanz wieder länger. Aus der Bahngeschwindigkeit der Erde berechnete Römer die Lichtgeschwindigkeit zu 214000 Kilometer pro Sekunde.
Römers Ergebnis fand rasche Verbreitung und wurde von den meisten Forschern akzeptiert. Es dauerte mehr als 150 Jahre, bis sich Physiker wieder für die Lichtgeschwindigkeit interessierten. 1849 gelang es dem französischen Physiker Armand Hippolyte Fizeau erstmals, sie in einem physikalischen Experiment zu messen.
Fizeau montierte dazu ein Zahnrad mit 720 Zähnen auf eine Achse, die sich mit beliebiger Geschwindigkeit drehen ließ. Das Zahnrad zerhackte einen Lichtstrahl in kleine Pakete, die ein in 8,63 Kilometer Entfernung stehender Spiegel reflektierte. Hinter dem zunächst langsam rotierenden Zahnrad beobachtete Fizeau das zurückkehrende Licht.
Zunächst sah er nichts, weil die Blitze, die durch eine Lücke herausgekommen waren, bei ihrem Rückweg genau auf den folgenden Zahn fielen. Erst als Fizeau die Geschwindigkeit steigerte, bis der rückkehrende Strahl durch die nächste “Zahnlücke” fiel, sah er das Licht. Aus der Umdrehungsgeschwindigkeit ermittelte er, wieviel Zeit zwischen zwei Lücken des Zahnrads vergangen war.
Der französische Forscher erhielt mit 315000 Kilometer pro Sekunde ein erstaunlich genaues Resultat – es lag nur fünf Prozent über dem heute gültigen Wert für die Lichtgeschwindigkeit.
Fizeau bestimmte im Jahr 1849 die Geschwindigkeit des Lichts durch eine “Zahnlücke” Die Zahnradmethode wurde von verschiedenen Physikern immer weiter verfeinert und lieferte zu Beginn dieses Jahrhunderts einen Wert von 299901 Kilometer pro Sekunde.
Ein ähnliches Experiment hatte sich schon 1834 der englische Physiker und Erfinder Sir Charles Wheatstone überlegt. Dabei sollte ein Lichtstrahl auf einen rotierenden achtseitigen Spiegel fallen, der ihn auf einen feststehenden Spiegel reflektierte. Dieser warf das Licht zurück auf eine der anderen acht Seiten des Spiegels, der es in ein Beobachtungsgerät umlenkte. Das Experiment kann freilich nur gelingen, wenn der Spiegel in der Zwischenzeit genau eine achtel Umdrehung oder ein Vielfaches davon gemacht hat. Wie beim Fizeauschen Versuch ließ sich auch hier die Lichtgeschwindigkeit aus der Umdrehungsgeschwindigkeit des Spiegels errechnen.
Die erste brauchbare Messung mit dieser Methode unternahmen die beiden Franzosen Dominique Arago und Leon Foucault erst 1850. Zwölf Jahre später veröffentlichte Foucault den Wert 298000 Kilometer pro Sekunde, der dem heutigen bis auf ein halbes Prozent entspricht. Foucaults Methode war sehr genau: Er konnte damit als erster nachweisen, daß Licht in Wasser langsamer läuft als in Luft.
Den Physikern war klar, daß sie den Weg des Lichts zwischen den Spiegeln von anfänglich 20 Metern noch erheblich vergrößern mußten, um genauere Resultate zu bekommen. 1927 unternahm der Amerikaner Albert Michelson einen neuen Versuch: Er installierte einen rotierenden Spiegel auf dem Mount Wilson in Kalifornien und ließ den Lichtstrahl zum 35 Kilometer entfernten Mount San Antonio laufen, wo ein feststehender Spiegel stand.
Die Distanz hatte der US Coast and Geodetic Survey zuvor auf wenige Zentimeter genau vermessen. Die Rotationsgeschwindigkeit des Spiegels bestimmte Michelson mit einer aufwendigen stroboskopischen Methode.
Schließlich veröffentlichte er einen Wert von 299796 Kilometer pro Sekunde, der lange Zeit das Standardmaß blieb. In aufwendigen Versuchsaufbauten mit Lasern und Atomuhren wurde die Lichtgeschwindigkeit immer genauer bestimmt – 1973 sogar auf einen Meter pro Sekunde exakt. Seither gab es keine neuen Experimente mehr. Die enorme Präzision der Messung bewog die Physiker dazu, die Lichtgeschwindigkeit als natürliches Maß für die Einheit “Meter” zu nutzen.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts galt das “Urmeter” in Sèvres bei Paris als Maß aller Dinge. Dieser Platin-Iridium-Stab besitzt zwei Kerben, deren Abstand genau ein Millionstel des Längengrades ist, der zwischen dem Äquator und dem Nordpol durch Paris verläuft.
1983 beschloß die Generalkonferenz für Maße und Gewichte, das Meter auf Basis der Lichtgeschwindigkeit festzuschreiben. Die Konferenz einigte sich auf 299792458 Meter pro Sekunde und definierte ein Meter als die Strecke, die ein Lichtstrahl in einer 299792458stel Sekunde zurücklegt.
Damit ist die Lichtgeschwindigkeit endgültig zur zentralen physikalischen Größe geworden: Nach Einsteins Relativitätstheorie, in der sie die Geschwindigkeitsgrenze für Materie- und Informationsaustausch ist und Materie (m) mit Energie (E) über die berühmte “Schicksalsformel” E=mc2 verknüpft, ist sie nun auch der Maßstab für die physikalische Basiseinheit “Meter”.
Thomas Bührke