as ist mir persönlich vom Jahr 1964 noch deutlich in Erinnerung? Das sind Fernsehbilder von den Olympischen Sommerspielen in Tokio. An eine Live-Übertragung über Kontinente hinweg war damals nicht zu denken. Die Aufnahmen mussten erst mit dem Flugzeug nach Europa gebracht werden, ehe eine Fernsehanstalt sie hier ausstrahlen konnte. Wenn der Flieger Verspätung hatte, wurden die Zuschauer von den Sportmoderatoren vertröstet.
Heinz Haber, der 1990 verstarb, hät- te an das Jahr 1964 eine völlig andere Erinnerung. Mit der Herausgabe der Zeitschrift BILD DER WISSENSCHAFT (damals in Versalien) landete er einen Coup in der deutschen Presselandschaft. Mit vier Ausgaben (Januar, April, Juli, Oktober) startete er den Versuch, im deutschen Sprachraum eine Zeitschrift zu etablieren, die über die Naturwissenschaften allgemeinverständlich berichtet. Der Versuch war erfolgreich. Der Beweis dafür liegt vor Ihnen.
Als Haber BILD DER WISSENSCHAFT auf Kiel legte, war er bereits 50 Jahre alt. 1961 war der gebürtige Mannheimer (*1913) als amerikanischer Staatsbürger nach Deutschland zurückgekehrt – mit dem erklärten Ziel, sich der „Öffentlichen Wissenschaft” zu widmen. Mehr darüber erfahren Sie in Habers erstem Editorial (siehe rechte Seite). Schon damals hatte er sich als Buch- und Filmautor einen Namen gemacht. In seiner US-Zeit arbeitete er eng mit Walt Disney zusammen – am Schluss als Chief Scientific Consultant. So moderierte Haber den Fernseh-Dokumentarfilm „Our friend the atom”. Sein Ziel, eine deutschsprachige Ausgabe des „ Scientific American” herauszubringen, lehnten die damaligen Herausgeber ab.
Habers Hausaufgabe
Haber ließ nicht locker. Nach seinem Motto „Haste keins, dann mach dir eins” begab er sich in Deutschland auf Verlagssuche. Er sprach mit den namhaften Verlegern, etwa Gerd Bucerius von der „ Zeit”. Auch beim Axel Springer Verlag stellte er seine Idee vor, wie sich der frühere bdw-Chefredakteur Wolfram Huncke erinnert. Schließlich fand er in Eugen Kurz, dem Verleger der in Stuttgart ansässigen Deutschen Verlags-Anstalt DVA einen Partner. Der stellte Haber aber eine Hausaufgabe: Er möge erst einmal ermitteln, ob in einer derartigen Zeitschrift zur Mitfinanzierung Anzeigen geschaltet werden könnten.
Heinz Haber machte sich also erneut auf die Beine und ergründete das Wohlwollen der Industrie, sein Baby BILD DER WISSENSCHAFT durch Anzeigen zu unterstützen. Dazu besuchte Haber auch die Stahl-Manager Berthold Beitz und Ernst-Wolf Mommsen. „Er ist nur zu großen Leuten gegangen”, weiß Huncke. Und von ihnen holte er sich die Anzeigenzusagen, die der DVA die Perspektive gaben, mit BILD DER WISSENSCHAFT Geld verdienen zu können. Bereits in der Erstausgabe annoncierten: AEG, Bosch, Gerling-Konzern, Hochtief, Krupp, BASF, Frankfurter Allgemeine …
Genauso erfolgreich war Haber bei der Autorensuche. Der erste Beitrag der Erstausgabe stammt von Otto Hahn, dem Mann, der für die Entdeckung der Kernspaltung den Nobelpreis bekommen hatte. Und Haber wäre nicht Haber gewesen, wenn er nicht ab und an mit Tricks gearbeitet hätte. So gewann er für die Erstausgabe Galileo Galilei als Autor – einen Mann, der 1964 bereits seit 322 Jahren tot war.
von Wolfgang Hess