Tiefer konnte ein römischer Aristokrat kaum sinken. Seit Jahren führten die Römer auf der Iberischen Halbinsel Krieg gegen die einheimischen Kelten. Im Jahr 137 v. Chr. hatte der Konsul Gaius Hostilius Mancinus die Aufgabe, deren gut befestigte Hauptstadt Numantia zu erobern. Doch der Feldherr erlitt eine schwere Niederlage, und sein Heer musste sogar die Waffen abgeben. Unter heiligen Eiden schwor Mancinus den Iberern im Namen des römischen Volkes, die bisherigen Grenzen anzuerkennen. Die eigentliche Blamage folgte in Rom: Der Senat erkannte diesen Vertrag nicht an, und Mancinus wurde aus dem Senat ausgestoßen.
Den Schwur jedoch konnte man nicht brechen, ohne den Zorn der Götter auf sich zu ziehen. Ein Fachmann für die göttlichen Gebote tüftelte an einer Lösung: Mancinus wurde in Ketten gefesselt und nackt vor die Mauern Numantias gestellt. Hätten die Numantiner dieses Opfer angenommen, wäre der Vertrag mitsamt den religiösen Bindungen rückgängig gemacht worden. Doch die Iberer ließen Mancinus bis in die Nacht vor ihren Stadtmauern stehen. Gedemütigt kehrte der ehemalige Konsul zurück nach Rom, wo ihm auch noch das Bürgerrecht aberkannt wurde. Letztlich war allerdings alles eine Frage der politischen Kräfte. Als die Verhältnisse im Senat für Mancinus günstiger standen, wurde er wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Und den heiligen Schwur ignorierte sein politischer Erzfeind Scipio Aemilianus einfach: Er eroberte Numantia im Jahr 134 v. Chr. endgültig.