Am frühen Morgen des 21. November 1831 versammelte sich in Lyon, dem traditionsreichen Zentrum der Seidenindustrie, eine wütende Menschenmenge. Knapp 400 Seidenweber waren fest entschlossen, ihre Arbeit so lange niederzulegen, bis ihre Forderung nach einem Mindestlohn erfüllt werden würde. Auf ihre Fahnen hatten sie die Losung geschrieben: „Arbeitend leben oder kämpfend sterben“ – es war ein Aufstand gegen den drohenden Hungertod. Ihnen schlossen sich bald schon Tausende an. In der damals zweitgrößten Stadt Frankreichs lebten etwa 30000 Seidenarbeiter in großem Elend. Bei einem 15stündigen Arbeitstag ohne Ruhe- und Essenspausen verdiente ein Weber nicht genug, um eine Familie ernähren zu können. Viele von ihnen hausten zu fünft oder gar zu acht in lichtlosen, stinkenden Zimmern der Mietskasernen in der Lyoneser Vorstadt Croix-Rousse. Gegen die zunächst friedlichen Demonstranten schritt die Nationalgarde ein. Zwei Tage lang versuchte sie vergeblich, den Arbeiteraufstand niederzuschlagen. Am 23. November besetzten die Arbeiter das Stadthaus, das politische Zentrum Lyons. Sie hatten damit die Stadt mit Waffengewalt erobert. Dennoch stellten die Seidenweber ihre Loyalität zu König Louis-Philippe nicht infrage, denn sie wollten keinen politischen Umsturz. Am 3. Dezember zogen 20000 königliche Soldaten in die Stadt und entwaffneten die Aufständischen. An der Situation der Seidenarbeiter änderte sich nichts – die zuvor ausgehandelten Tarifabkommen wurden sofort wieder verworfen.
21. November 1831
“Arbeit oder Tod”Teilen: