Die Uraufführung führte zu Tumulten und geriet zum Skandal. Mit der Premiere von Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ wurde die „Freie Bühne Berlin“ schlagartig als Epizentrum für moderne Dramatik bekannt. Schon bei der Gründung des als Verein konzipierten Theaters am 5. April 1889 kristallisierte sich eine bahnbrechende Vision heraus: die Etablierung eines Theaterraums, der sich bewusst von den Zwängen des kommerziellen Theaterbetriebs abwandte, um experimentellen Werken eine Bühne zu bieten – Werken, die vom breiten Publikum und der rigiden Zensur abgelehnt wurden.
Inspiriert vom Pariser „Théâtre Libre“, riefen Persönlichkeiten wie Otto Brahm, Maximilian Harden oder Gerhart Hauptmann – namhafte Schriftsteller, Kritiker und Intellektuelle ihrer Zeit – diese revolutionäre Bühne ins Leben. Die Gründung als privater Verein ermöglichte es ihnen, die strenge Zensur, die in Deutschland für öffentliche Aufführungen herrschte, zu umgehen. Mitglieder der „Freien Bühne“ bekamen so Zugang zu Aufführungen, die provokative und innovative Werke präsentierten, welche die sozialen Fragen und Realitäten ihrer Epoche aufgriffen – ein Zeugnis ihres Engagements für eine sowohl ästhetische als auch gesellschaftlich relevante Kunst. Das Konzept, avantgardistische Theaterprojekte aufzuführen, fand bald auch Nachahmer auf anderen Bühnen, was paradoxerweise nach nahezu zwei Jahrzehnten zum Ende der „Freien Bühne“ beitrug.