Martin Luther war nicht der Erste, der eine Bibelübersetzung ins Deutsche vorlegte; 18 solcher Bibelausgaben wurden zwischen 1466 und 1522 gedruckt. Die überragende Übersetzung des Reformators ließ jedoch die älteren deutschsprachigen Ausgaben schnell in Vergessenheit geraten – zu Unrecht. Denn unter diesen befinden sich echte Schätze der frühen Druckkunst, so etwa die „Lübecker Bibel“ in mittelniederdeutscher Sprache, deren Druck am 19. November 1494 abgeschlossen war. Ihre Übersetzung basierte auf der lateinischen Bibel (der Vulgata) und orientierte sich an einer 1478 in Köln gedruckten mittelniederdeutschen Ausgabe.
Über weite Strecken ist sie aber die Eigenleistung eines anonymen Bearbeiters, den die Forschung im Umfeld der Reformbewegung der „Devotio Moderna“ verortet und hinter dem sie den gelehrten Franziskaner Nikolaus Bucholt vermutet. Wie auch die Kölner ist die „Lübecker Bibel“ mit zahlreichen Glossen kommentiert. Gedruckt wurde das Werk in der Werkstatt von Steffen Arndes. Ihre hervorragende Druckqualität macht die „Lübecker Bibel“ mit ihren 152 Holzschnitten und Initialen nicht nur zu Arndes’ Meisterstück, sondern zu einer der bedeutendsten Inkunabeln des deutschsprachigen Raums. Als Volksbibel für den niederdeutschen Raum fand die „Lübecker Bibel“ weite Verbreitung. Von ihr werden aktuell 74 Exemplare in öffentlichen Einrichtungen weltweit bewahrt.