Immer wieder haben sich Europäer und Nordamerikaner dazu berufen gefühlt, ihre Vorstellungen von westlicher Zivilisation anderen Ländern zu vermitteln, ja, sie ihnen aufzudrängen und sie in diesem Sinn zu missionieren. Diese westlichen Interventionen im Zeichen der Zivilisation stellten sich jedoch oft als kaum bemäntelte imperialistische und kolonialistische Aktionen heraus – entsprechend diskreditiert ist der Grundgedanke, der nicht zuletzt im jüngsten Irak-Krieg erneute Aktualität gewonnen hat. Mit dem Begriff „Zivilisierungsmissionen“, den es so bisher im Deutschen nicht gibt und der an das englische civilizing mission erinnert, ist ein Band betitelt, den Jürgen Osterhammel und Boris Barth herausgegeben haben. Er umfaßt eine anregende Vielfalt von Einzelstudien.
Ob in Sibirien, im napoleonischen Reich, im britischen Empire, im kolonialen Afrika, in Japan oder in Nord- und Lateinamerika – das Augenmerk gilt auf der einen Seite dem Selbstverständnis der „Zivilisationsmissionare“ und den von ihnen gewählten militärischen oder zivilen Mitteln der Einflußnahme, auf der anderen Seite den Auswirkungen kolonialer Politik in den Kolonien selbst oder zu Hause, im Mutterland.
Der weitgesteckte Zugriff ermöglicht so aufschlußreiche Vergleiche und lädt zur Reflexion über ein umstrittenes Thema ein.
Rezension: Talkenberger, Heike