Was unterscheidet unsere moderne Wirtschaft von der des Mittelalters? Eine gängige Antwort lautet, dass der heutige „Wirtschaftsmensch“ in erster Linie nach Gewinn strebt, während die Menschen im Mittelalter vor allem an ihre Alltagsversorgung dachten. Der Historiker Thomas Ertl hinterfragt diese Annahme. Sein Buch soll zeigen, dass die Welt des mittelalterlichen Wirtschaftens vielfältiger war, als häufig angenommen wird.
Nach einem Überblick über die Grundzüge der mittelalterlichen Wirtschaft behandelt der Autor die Strukturen und Institutionen, den mittelalterlichen Lebensstandard sowie die Welt des Konsums. Dabei bleibt kaum ein Thema unberührt: Ertl widmet sich sowohl dem lokalen Handel als auch den Netzwerken der Fernhändler. Er weist auf die Unterschiede zwischen familiären Kleinbetrieben und großen Handelshäusern hin und beschreibt das aufkommende Banken- und Messewesen. Darüber hinaus werden Fragen nach sozialer Ungleichheit, Arbeitszeiten und „Jobzufriedenheit“ thematisiert.
Auch wenn die Eigenheit, moderne Begriffe auf mittelalterliche Verhältnisse zu übertragen, zunächst irritiert – von „Bankern“ ist da die Rede und vom „Shopping“ –, so zeigt das Buch, dass viele Themen zeitlos sind: die Frage nach der gerechten Verteilung vorhandener Ressourcen etwa oder eben auch die Gier nach neuen Erwerbungen beziehungsweise das Einkaufen als sinnliches Erlebnis.
Rezension: Anna Joisten
Thomas Ertl
Bauern und Banker
Wirtschaft im Mittelalter
Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2021, 88 Seiten, € 29,–