Dass der Krieg der Vater aller Dinge sei, ist eine regelrecht totzitierte Phrase. Dass er aber zumindest der Vater vieler Dinge sein kann, ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, dessen Ausgang wegweisend für Völkerrecht und Weltsicherheitsarchitektur sein wird, leider wieder mitten in Europa zu beobachten. Daher ist es nur konsequent und erkenntnisfördernd, wenn die Militärgeschichte wieder mehr in den Fokus rückt, gerade auch in Darstellungen für ein breiteres Publikum. Klaus-Jürgen Bremms Buch ist also eine hochwillkommene Publikation, zumal der Autor als Militärhistoriker und Oberstleutnant der Reserve ein Experte ist.
Der Band konzentriert sich auf zwölf Entscheidungsschlachten der europäischen Geschichte. Eine Schlacht ist zwar zeitlich wie räumlich begrenzt und gehört zum Bereich der Taktik, nicht der Strategie. Dennoch können Schlachten entscheidend sein, entweder indem sie langfristige Folgen haben – das historiographische Kriterium – oder indem mindestens eine der beteiligten Parteien unter höchstem Risiko den Gegner final in die Knie zwingen möchte – das dezisionistische Kriterium. Nur solche Schlachten, auf die beide Kriterien zutreffen, wurden ausgewählt.
Um mit den kritischen Überlegungen zu beginnen: Man würde sich in der heutigen Zeit wohl eine eher globalhistorische Darstellung wünschen – Schlachten, die die obigen Kriterien erfüllen, werden sich etwa auch in der chinesischen oder japanischen Geschichte finden. Die ausgewählte Literatur ist überwiegend mindestens zwanzig Jahre alt. Natürlich liegt das auch daran, dass Militärgeschichte jüngst nur bedingt Konjunktur hatte. Dennoch hätte man, um nur ein Beispiel zu nennen, bei der Schilderung von Salamis Wolfgang Wills „Perserkriege“ (2. Auflage, 2019) erwarten dürfen. Auch wird man die Auswahl nicht völlig vorbehaltlos betrachten: War Caesars Sieg bei Alesia entscheidender als der des späteren Augustus bei Actium? Aus Sicht der Gallier sicher, aber auch aus anderen Blickwinkeln? Damit soll Bremms Zusammenstellung nicht als falsch bezeichnet werden. Man wird jedoch die Frage nach der Bedeutung in einigen der zwölf Fälle eine Weile wenden können. Bisweilen hätte schließlich ein sorgfältigeres Lektorat dem Band gutgetan.
Dessen ungeachtet ist Bremm ein lesenswertes Buch gelungen. Kenntnisreich werden Taktiken und Schlachtverläufe dargestellt, immer eingebettet in den konkreten historischen Kontext und mit allgemeineren Hintergrundinformationen versehen. Das benutzte Bild- und Kartenmaterial ist vorzüglich und taugt zur Verwendung sowohl in der schulischen als auch in der universitären Lehre oder für Präsentationen. Dass im Kartenmaterial zu den jüngeren Schlachten Symbole benutzt (aber auch auf einer separaten Tafel erklärt) werden, die militärisch noch immer üblich sind, rundet das Material ab und unterstreicht die Expertise des Verfassers. Die Lektüre vertieft das historische Verständnis, hilft aber zweifellos auch dabei, die aktuellen Nachrichten besser verfolgen zu können.
Rezension: Dr. Philipp Deeg
Klaus-Jürgen Bremm
Die größten Schlachten der Geschichte
Entscheidungen in Europa von Salamis bis zu den Ardennen
wbg Theiss, Darmstadt 2023, 304 Seiten, € 40,–