Dass die Autorin Inge Geiler durch Zufall Postkarten, Fotos, Zettel und Urkunden hinter der Heizung ihrer Wohnung in Frankfurter am Main gefunden hat, ist ein Glücksfall. Auf der Grundlage dieses Fundes stellt sie die Geschichte der jüdischen Familie Grünbaum vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart vor.
Akribisch recherchiert, erzählt das Buch von Meier und Elise Grünbaum, die fast 80-jährig ins KZ Theresienstadt verschleppt wurden. Die Familie betrieb seit 1909 ein Handelsgeschäft in Wiesbaden. Nach dem frühen Tod der beiden Kinder, Max und Meta, siedelte das Ehepaar nach Frankfurt um. Wilhelm Kleemann, Elises Bruder, war Vorstandsmitglied der Dresdner Bank, veröffentlichte wirtschaftliche Fachartikel und engagierte sich in der jüdischen Ge-meinde. Er konnte während des 2. Weltkriegs in die USA fliehen und kehrte in den 1960er Jahren nach Deutschland zurück. Geilers Ahnenforschung konnte auch Verwandte in den USA und Kanada ausfindig machen, wo heute viele Mitglieder der weit verzweigten Familie leben.
Die Personen kommen vor allem über ihre Briefe selbst zu Wort, nur knapp stellt die Autorin die politische Situation vor. Transkriptionen der historischen Dokumente zeichnen das Bild einer erfolgreichen, gut in die Gesellschaft integrierten und innigen Familie. Die persönlichen Zeugnisse geben einen Einblick in die Verzweiflung und das Leid, das die Grünbaums in der NS-Zeit erfuhren. Erst im Sommer 1942 brach der rege Schriftverkehr zwischen den inzwi-schen Emigrierten und den Zurückgebliebenen ab. Nur zwei Wochen nach ihrer Deportation starb Elise Grünbaum Anfang September 1942 in Theresienstadt, ihr Mann Meier überlebte sie um lediglich drei Wochen. Mindestens acht Mitglieder der Familie wurden deportiert und starben in den Konzentrationslagern.
Das Buch berührt, weil es anschaulich zeigt, wie stark jüdische Familien dem NS-Vernichtungsapparat hilflos ausgeliefert war. Die zahlreichen Fotos, historische und aktuelle, sowie der verzweigte Stammbaum bieten weiteres Anschauungsmaterial. Sehr persönlich be-richtet die Autorin, wie sehr der Fund ihr Leben prägte. Dadurch fehlt aber häufig eine größe-re kritische Distanz zu den Dokumenten, so dass die Briefe eher die erzählerische Handlung des Buches vorantreiben. Geiler reiht ihren Fundstücke an einigen Stellen unreflektiert anei-nander, was es für den Leser schwierig macht, die Geschehnisse in die jeweilige politische Situation einzuordnen.
Rezension: Christina Reich