Neben Leopold von Ranke gilt er als Vater der modernen Geschichtswissenschaft. Die Rede ist von Johann Gustav Droysen, dem Historiker, der sich vor allem mit seinen Überlegungen zur
historischen Quellenkritik einen Namen gemacht hat. Über seine methodisch-theoretischen Konzepte ist bereits viel geschrieben worden. Mit der vorliegenden Studie vermittelt der Historiker Philipp Müller einen neuen Zugang zu Droysen. Es ist eine interessante Lektüre, sowohl zu Droysen als auch zur Forschungspraxis von Geschichtswissenschaftlern im 19. Jahrhundert.
Müller richtet exemplarisch anhand des von Droysen verfassten Geschichtswerks „Das Leben des Feldmarschalls Grafen York von Wartenburg“ den Blick auf die praktische Forschungstätigkeit des Geschichtswissenschaftlers und fragt: Wie gelangte der Historiker überhaupt an seine Quellen? Keine unberechtigte Frage, denn Mitte des 19. Jahrhunderts war der Zugang zu historischem Material schwieriger als heute. Die Nutzung historischer Archive war zu dieser Zeit ein Privileg, und Forscher waren auf soziale Kontakte angewiesen. Im Fall von Droysen ermöglichte dessen Beziehung zu Gustav von Below, dem ehemaligen Flügeladjutanten Yorcks, Zugang sowohl zu privaten Papieren aus dem Umfeld des Feldmarschalls als auch zu amtlichem Aktenmaterial, wie Müller zeigt. Ohne Below hätte Droysen seine Studie nicht schreiben können.
Rezension: Anna Joisten
Philipp Müller
Kopf und Herz
Die Forschungspraxis von Johann Gustav Droysen
Wallstein Verlag, Göttingen 2023, 167 Seiten, € 19,90