Helmut Schmidt bezeichnete sie einst als „in der Geschichte der Menschheit einzigartiges Unterfangen“: die Europäische Union. Ihre Gründung am 1. November 1993 liegt inzwischen bereits 30 Jahre zurück. Im Buch von Christoph Driessen beginnt die Geschichte der europäischen Einigung deutlich früher und etwas anders, als man denkt: nämlich im Bauch eines Brathähnchens. In diesem wurde 1941 ein Manuskript auf winzigem Zigarettenpapier von der italienischen Gefängnisinsel Ventotene geschmuggelt. Verfasst hatten es der Kommunist Altiero Spinelli, der Sozialist Eugenio Colorni und der Liberale Ernesto Rossi. Gegen den Faschismus vereint, hatten sie jenes Manifest entworfen, in dem sie die „föderalistische Neugestaltung Europas“ forderten.
Den drei Vordenkern schwebte die Vision einer Europäischen Union vor Augen, zu Zeiten, als dies völlig undenkbar schien. 1943 betonte Charles de Gaulle: „Nach diesem Krieg werden Deutsche und Franzosen niemals gemeinsam in derselben Organisation sein können.“ Wie es dennoch zur europäischen Einigung kam, erzählt Driessen auf ungemein anschauliche und kurzweilige Art. Ein unbedingt lesenswertes Buch, das die großen Akteure auf der politischen Bühne Europas ausleuchtet und dabei immer wieder mit unbekannten Geschichten, informativen Fakten und überraschenden Details überzeugt.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Christoph Driessen
Griff nach den Sternen
Die Geschichte der Europäischen Union
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2024, 288 Seiten, € 29,95