Fragt man Einhard, den Biographen Karls des Großen, so handelte es sich bei den Sachsen um „ein wildes Volk, das Götzen anbetete“. Widukind, dem Autor der ältesten Sachsengeschichte, zufolge waren die Sachsen dagegen „ein alter und edler Stamm“. Die schriftliche Überlieferung macht deutlich, dass es viele verschiedene Vorstellungen davon gibt, wer die Sachsen waren.
Die Prähistorikerin Babette Ludowici spürt den Personenverbänden nach, die im 1. Jahrtausend in den norddeutschen Gebieten zwischen Rhein und Elbe lebten und unter dem Begriff der Sachsen zusammengefasst werden. Zum einen nimmt sie die Schriftquellen von der Römerzeit bis ins Spätmittelalter unter die Lupe, in denen Sachsen Erwähnung finden. Zum anderen betrachtet sie das Phänomen „Sachsen“ aus archäologischer Perspektive. Darüber hinaus wird nachgezeichnet, wie sich das sächsische Herzogtum im Mittelalter formierte.
Ludowici macht quellennah und anhand der aktuellen Forschung deutlich, dass die Erzählung von einem Sachsenvolk, das sich über die Jahrhunderte hinweg aus einer Urheimat nördlich der unteren Elbe expansiv ausbreitete, ein Mythos ist, den Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts geschaffen haben. Wer es spannend findet, historische Konstrukte zu hinterfragen, wird das Buch mit Gewinn lesen.
Rezension: Anna Joisten
Babette Ludowici
Die Sachsen
Verlag C. H. Beck, München 2022, 119 Seiten, € 12,–