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Wechselnde Perspektiven auf einen Herrscher

Stephan Freund/Matthias Puhle

Wechselnde Perspektiven auf einen Herrscher

Am 7. Mai 2023 jährte sich der Tod Kaiser Ottos I. des Großen zum 1050. Mal. Aus diesem Anlass zeigte das Kulturhistorische Museum Magdeburg die Ausstellung „Welche Taten werden Bilder? Otto der Große in der Erinnerung späterer Zeiten“, und die beiden Historiker Stephan Freund und Matthias Puhle legten eine neue Biographie des Herrschers vor, die nicht zuletzt auch den Impulsen verpflichtet ist, die von der beachtenswerten Ottonen-Forschung in Magdeburg und den dort gezeigten Ausstellungen über diese Epoche ausgegangen sind.

Die Autoren haben den Band bis auf die Einleitung und den Epilog getrennt verfasst und zeichnen jeweils für verschiedene der 14 inhaltlichen Kapitel verantwortlich. Aufgrund dieses durchgängigen Perspektivenwechsels ist ein vielfältiges und spannendes Buch über das Wirken Ottos entstanden, das sich vornehmlich an ein breiteres Publikum richtet und mit vielen qualitätsvollen und aussagekräftigen Abbildungen angereichert ist. Man merkt dem Buch dabei an, dass seine Autoren auf der Höhe des Forschungsstands sind.

Der Aufbau des Buches folgt der Chronologie, die ab und an zugunsten struktureller Aspekte durchbrochen wird. Naturgemäß beginnt der Band mit der Vorgeschichte des Herrschers, den krisenhaften Entwicklungen im Ostfrankenreich Ende des 9./Anfang des 10. Jahrhunderts und dem Aufstieg Heinrichs I., Ottos Vater, vom drittgeborenen sächsischen Adelssohn zur Königsherrschaft. Im Zusammenhang mit der Thronfolge Ottos stellt Freund, neuere Forschungen aufgreifend, dezidiert fest: „Die berühmte sogenannte Quedlinburger Hausordnung des Jahres 929 hat es hingegen nicht gegeben“ (Seite 39). Etwas vorsichtiger erfolgt die Distanzierung von der Aachener Krönung Ottos im Jahr 936, deren Faktizität jüngst mitunter bezweifelt wird, indem der Bericht Widukinds von Corvey als einziger Quellenbeleg für dieses Geschehen angesprochen wird. Der Chronik Widukinds ist auch der Untertitel des Buches entlehnt: Dort wird Otto kurz vor seinem Tod als „Kaiser der Römer, König der Völker“ bezeichnet.

Überhaupt sind die Quellen und ihre Perspektiven in diesem Buch ein stets präsentes Thema, das zudem in einem eigenen Kapitel behandelt wird. Hier geht es vor allem um die von der Forschung rekonstruierten Ziele und Absichten der Verfasser und Verfasserinnen. Insbesondere das Beispiel Widukinds zeigt, welche Schwierigkeiten ein Zeitgenosse hatte, noch offene Probleme beim Namen zu nennen, deren Ursachen ungelöste Konflikte wie die alleinige Nachfolge Ottos, seine zweite Heirat mit Adelheid von Italien oder seine Pläne zur Gründung des Erzbistums Magdeburg waren. So war die Herrschaftszeit Ottos gekennzeichnet von offenem Widerstand seiner engsten Familienangehörigen, die er erst im Lauf der Zeit in sein Herrschaftssystem integrieren konnte.

All das wird umsichtig nachgezeichnet, ergänzt um Ausführungen über das Funktionieren der Königsherrschaft im 10. Jahrhundert oder die Stellung der Frauen. Ein Epilog über das Nachwirken Ottos bis in die heutige Zeit mit einem Schwerpunkt auf Sachsen-Anhalt und Magdeburg beschließt das Werk, das allen empfohlen sei, die sich über Otto den Großen rasch und zuverlässig informieren wollen.

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Rezension: Prof. Dr. Matthias Becher

Stephan Freund/Matthias Puhle
Otto der Große 912 – 973
Kaiser der Römer, König der Völker
Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2023, 256 Seiten, € 30,–

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