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Wachmannschaften im Braunhemd

David Reinicke

Wachmannschaften im Braunhemd

dam0123bue12.jpgDas Buch von David Reinicke untersucht erstmals ausführlich die Geschichte der SA-Wachmannschaften in den Emsland-Lagern in den Jahren 1934 bis 1942, die damals dem Preußischen Justizministerium unterstellt waren. Es setzt also zeitlich da ein, wo die meisten anderen Studien zur SA enden. Bis 1938 handelte es sich um den größten Komplex von Zwangslagern in Deutschland mit zeitweilig über 10 000 Gefangenen.

Den in diesen Lagern eingesetzten SA-Mannschaften, der sogenannten Moor-SA unter ihrem Führer Werner Schäfer, war ein starker, nicht zuletzt regional verwurzelter Korpsgeist eigen; viele waren schon vor 1933 als junge Männer zur NSDAP gestoßen. Sie fühlten sich berufen, der Volksgemeinschaft durch Umerziehung vermeintlicher „Volksfeinde“ zu dienen und durch die Urbarmachung der nur dünn besiedelten Moorlandschaften einen wichtigen Beitrag zur sogenannten inneren Kolonisierung Norddeutschlands zu leisten. „Moor-SA schafft neues Bauernland“ lautete die Propagandaformel. Im Gegensatz zu dieser ideologischen Überhöhung stand der oft wenig aufregende Alltag der Wachmannschaften, was auch Kameradschaftsabende und gemeinsame Ausflüge nicht dauerhaft überspielen konnten. In der Praxis wurde die „Gemeinschaft“ in der SA vor allem durch die gemeinsam ausgeübte Gewalt gegen die Zwangsarbeiter hergestellt. Misshandlungen waren an der Tagesordnung, wobei jüdische Gefangene besonders zu leiden hatten.

Auch Eigennutz motivierte diese SA-Verbände. Das Regime versprach den zumeist formal niedrig qualifizierten SA-Männern bis in die frühen Kriegsjahre hinein, dass sie als künftige Bauern die Früchte ihrer Entbehrungen würden ernten können, doch blieb sie ihnen in dieser Hinsicht alles schuldig. Allenfalls zehn Prozent aller vom Staat angekauften Flächen wurden überhaupt kultiviert, und von den nur 25 Siedlerstellen, die tatsächlich neu geschaffen wurden, ging letztlich nicht eine einzige an
einen SA-Mann.

Die meisten Männer der „Moor-SA“ wurden zu Beginn des Krieges zur Wehrmacht eingezogen. Im letzten Teil des Buches geht Reinicke auch der Nachgeschichte der Moor-SA nach. Sofern sie Krieg und Kriegsgefangenschaft überlebt hatten, gaben sich viele der Männer in der frühen Bundesrepublik unauffällig. Während Urteile der britische Militärjustiz unmittelbar nach Kriegsende gegen Gewalttaten der „Moor-SA“ zunächst hart ausfielen, endeten die von der deutschen Justiz wenige Jahre später durchgeführten Prozesse sehr milde. Einige der ehemaligen SA-Wachleute fanden sogar erneut Verwendung im Justizdienst.

David Reinickes aus den Quellen erarbeitete Studie trägt dazu bei, die Bedeutung der SA für die Stabilisierung des nationalsozialistischen Regimes nach 1934 besser zu verstehen. Darüber hinaus ist die Analyse der für die „Moor-SA“ spezifischen Verknüpfung von politischer Repression, Disziplinierung und innerer Kolonisierung weiterführend. Das Buch ist daher nicht nur regionalgeschichtlich von Interesse, sondern leistet auch einen Beitrag zur Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus.

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Rezension: Prof. Dr. Daniel Siemens

David Reinicke
Die „Moor-SA“
Siedlungspolitik und Strafgefangenenlager im Emsland 1934–1942
Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 440 Seiten, € 39,–

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