Im Jahr 1250 bestieg der aus Katalonien stammende Dominikaner Raimundus Martini ein Schiff, dass ihn und sieben seiner Mitbrüder nach Tunis bringen sollte. Sie hatten den Auftrag, Arabisch zu lernen und Muslime zu missionieren. Über zehn Jahre lang lebte Martini in der Stadt. Dank der dort erworbenen Sprachkenntnisse konnte er nun auch arabische Texte lesen, die nicht in lateinischer Übersetzung vorlagen. Die Gedanken, die er sich bei der Lektüre von philosophischen und theologischen Texten machte, fanden Einfluss in sein Hauptwerk „Pugio fidei“ („Der Dolch des Glaubens“). Und obwohl der Dominikaner vieles zu kritisieren hatte, zeigte er sich doch erstaunlich aufgeschlossen für die Argumente islamischer Theologen.
Der Islamwissenschaftler Ulrich Rudolph spürte diesem interessanten interreligiösen Austausch nach. Er beleuchtet nicht nur Martinis Leben und den Niederschlag der islamischen Lehren in dessen Werk, sondern widmet sich auch der politischen Lage im westlichen Mittelmeerraum in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und skizziert den Wissenstransfer von der islamischen Welt ins christliche Europa. Es ist die Schilderung eines außergewöhnlichen Falls, der zeigt, dass es bereits im Mittelalter Menschen gab, die große Bereitschaft zeigten, von theologischen Gegnern zu lernen.
Rezension: Anna Joisten
Ulrich Rudolph
Ein Dominikaner in Tunis
Raimundus Martini und sein Studium der islamischen Theologie und Philosophie im 13. Jahrhundert
Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 61 Seiten, € 16,–