Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Buchs „Von Altona nach Ankara“ erhielten die Herausgeber nach langem Warten ein Schreiben des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation. Darin wird das Todesurteil gegen Franz Schmidt-Dumont aufgehoben „aufgrund des fehlenden Straftatbestandes in seinen Handlungen“. Nach 58 Jahren kam also die Bestätigung, dass Dr. Franz Schmidt– Dumont im Jahr 1952 zu Unrecht, durch einen Willkürakt der russischen Justiz, zum Tod verurteilt worden war. Seine Begnadigung zu 15 Jahren Straflager überlebte er – 70-jährig und durch sieben Jahre Haft in der Lubjanka (Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes) geschwächt – nur wenige Monate.
Jetzt werden das Leben von Schmidt–Dumont, seine Beschreibungen, Vorträge und Berichte wieder einem Lesepublikum zugänglich gemacht. Das Leben des hochgebildeten Mannes war vor allem über Jahrzehnte mit der Türkei und dem Nahen Orient verbunden. Das Buch bietet so über das individuelle Schicksal hinaus vertiefte Einblicke in die Geschichte dieses Raumes vom Bau der Bagdad-Bahn bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.
Franz Schmidt-Dumont, im Stil ebenso Hanseat wie Weltbürger, war in seinem vornehmen Auftreten, mit seiner umfassenden humanistischen Bildung und seinen erstaunlichen Sprachkenntnissen ein eindrucksvoller Mann. Der Rezensent erinnert sich noch aus seinen Kindheitstagen an diese unverwechselbare Persönlichkeit. Er war wohl kein Mann der Tat, sondern eher ein kluger, ironischer Beobachter einer manchmal chaotisch anmutenden Zeit, in der er zunächst als juristischer Berater beim Bau der Bagdad-Bahn, später als Journalist, Herausgeber einer Zeitung und schließlich als Mitarbeiter in der deutschen Botschaft in der Türkei tätig war.
Im ersten Teil des Buchs wird sein Leben anschaulich geschildert, von seiner Jugend in Hamburg bis zu den furchtbaren Geschehnissen 1945 in Berlin. Nur wenige Nachrichten erhielt seine Familie über seine Haft in russischen Gefängnissen zwischen 1945 und 1952. „Impressionen aus dem Orient“ ist der zweite Teil des Buchs überschrieben. Auch die Leser, die das Leben von Franz Schmidt-Dumont weniger interessiert, werden diesen Teil mit großem Gewinn und Vergnügen lesen. Schmidt-Dumont ist ein glänzender Stilist der deutschen Sprache, die er mit Humor und feiner Ironie würzt. Ob er etwa die neuentstehende türkische Hauptstadt Ankara beschreibt oder das Istanbul der 20er Jahre, ob „syrische Feste“, die Zubereitung eines türkischen Kaffees oder einen Flug aus der Frühzeit der Luftfahrt von Bagdad über Teheran nach Damaskus: Die Kunst seiner Beschreibung ist bezaubernd.
Der dritte Teil des Werkes bringt Aufsätze und Vorträge, die Franz Schmidt-Dumont in der Zeit von 1913 bis 1945 veröffentlicht hat, eine Fundgrube für die Geschichte des Nahen Ostens. Der letzte Beitrag dieses Teils unter dem Titel „Juden in der Türkei“, ein Vortrag aus dem Jahr 1944, zeigt, wie wenig er sich dem Zeitgeist gebeugt hat, wie sehr er sich die Unabhängigkeit seines Urteils bewahrt hat.
Rezension: Dr. Jürgen Westphal