Wolfgang Hardtwig beginnt sein autobiographisches Buch nicht mit sich selbst, sondern mit seinem Großvater Eduard Hamm, einem Wirtschaftspolitiker der Weimarer Republik, der sich nach 1933 im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert hatte. Die Gestapo verhaftete ihn im September 1944. Er starb unter ungeklärten Umständen, noch bevor sein Enkel am 10. November des Jahres auf einem Bauernhof bei Reit im Winkl geboren wurde. Es war der Großvater gewesen, der diesen Hof 1932 gekauft hatte. Dorthin hatte sich die Familie gerettet, als im Zweiten Weltkrieg die Bomben auf München fielen, und dort sollte Wolfgang Hardtwig seine Kindheit und Jugend erleben.
Der Historiker nimmt seine Leser mit auf eine Erinnerungsreise, die zurück an diesen Ort und in diese Zeit führt. Eindrücklich und mit liebe- und humorvollen Details erzählt Hardtwig, wie er auf dem Hof aufwuchs. Gleichzeitig erfährt man viel über das Dorf, die Herausforderungen des bäuerlichen Lebens und die gesellschaftlichen Strukturen auf dem Land in der Nachkriegszeit. Hardtwig spricht ausführlich von seinen Eltern, das musisch-literarische Interesse der Mutter, die Reiseleidenschaft des Vaters und immer wieder vom Großvater. Dabei wird deutlich, wie sehr die Familiengeschichte Hardtwig in seinem Werdegang prägte. Ein großartig erzähltes Buch, das man ungern aus der Hand legt.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Wolfgang Hardtwig
Der Hof in den Bergen
Eine Kindheit und Jugend nach 1945
Vergangenheitsverlag, Berlin 2022, 300 Seiten, € 20,–.