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Volkseigener Urlaub

Hasso Spode

Volkseigener Urlaub

dam1222bue02.jpgDie DDR-Bürger waren ein reiselustiges Völkchen. Doch wohin sollten sie fahren? Der Westen war mit Brettern vernagelt und Reisen in die sozialistischen Bruderstaaten mit bürokratischen Hürden verbunden. Lediglich in die Tschechoslowakei und Polen konnte man seit 1971 ohne Probleme reisen. An der polnischen Grenze senkte sich angesichts der Krise schon 1980 der Vorhang wieder. Die amtlich verfügte Höhe des Geldumtausches war in beiden Ländern ohnehin so niedrig, dass man entweder Monate vorher eine teure und schwer erhältliche Pauschalreise buchen oder sehen musste, wo man unterkam.

Es blieben vor allem die heimischen Reiseziele. Nach dem Krieg gab es zunächst sowieso keine anderen Möglichkeiten. Hier setzt die Schilderung von Hasso Spode ein. Die Einheitsgewerkschaft FDGB schrieb sich den Erholungsurlaub für alle Werktätigen auf die Fahnen. Ein trauriges Kapitel verschweigt das Buch nicht, nämlich die Enteignung von Hunderten Immobilien an der Ostsee im Rahmen der „Aktion Rose“ im Jahr 1953. Unter Vorwänden wurden Ferienpensionen, Gaststätten und Hotels enteignet und viele der Eigentümer verhaftet. „Die Arbeiterklasse … kann und wird dem Treiben solcher Ratten … nicht untätig zusehen; sie macht Schluss damit, indem sie Hotels und Pensionen, in denen bisher die Arbeiter betrogen wurden, in Volkseigentum überführt und in Heime verwandelt“, zitiert Spode einen zeitgenössischen Kommentar.

Kontinuierlich wurden seit den 1950er Jahren die Kapazitäten ausgebaut. Dazu gibt es in der Veröffentlichung viele Fakten und Zahlen. Es entstanden jene Bettenburgen, die große Massen von Feriengästen durchschleusen konnten. Ideologische Dauerberieselung oder verordnete Gemeinschaftserlebnisse mag es gegeben haben. Sie verloren aber, wie Spode richtig schildert, im Lauf der Jahre an Bedeutung.

Ergänzt wurde der FDGB-Feriendienst durch betriebseigene Ferienheime, die aufgrund der eigenen Ressourcen besser ausgestattet waren als die Gewerkschaftsheime. Auch Behörden und die „bewaffneten Organe“ verfügten über eigene Ferienobjekte. Allerdings konnte es hier leicht passieren, dass man beim Mittagessen oder gar in der Kellerbar neben seinem Chef oder dem Parteisekretär zu sitzen kam.

Wer diese Art von Kollektivität meiden wollte, hatte die Möglichkeit, sich mit Zelt und Klappstuhl den Freuden des Campinglebens hinzugeben. Allerdings war auch diese kleine Freiheit in der DDR streng reguliert. Ohne einen Zeltschein, der vorher zu beantragen war, lief gar nichts. Das eigentliche Problem aber war die Versorgung der Feriengebiete. Jeden Sommer wurden Bier und Brause, aber auch Obst und Gemüse knapp, von Papierwindeln oder Toilettenpapier ganz zu schweigen.

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Urlaub in der DDR ist ein beliebtes Schmunzelthema. Spode schreibt dazu ironisch: „Wie unbeschwert, wie putzig war doch das Leben damals, als wir noch mit dem Dachzelt auf dem Trabi an der Müritz übernachteten. Indes, von den legendären Dachzelten wurden nicht einmal zweitausend Stück gebaut … Empirisch ist Ostalgie wenig ergiebig.“ Das ist richtig, und doch wird wohl manchem Leser wie auch dem Rezensenten wehmütig ums Herz, wenn er sich daran erinnert, wie er Ostern 1971, nach der Öffnung der Grenze, im Wartesaal des Prager Bahnhofs übernachtet hat und im Morgengrauen losmarschierte, die Goldene Stadt zu erkunden. Das waren noch echte Abenteuer.

Rezension: Dr. Stefan Wolle

Hasso Spode
Urlaub Macht Geschichte
Reisen und Tourismus
in der DDR. be.bra Verlag, Berlin 2022, 208 Seiten, € 22,–

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