Womit schloss ein römischer Gutsbesitzer die Haustür ab? Welche Obstsorten waren ihm bekannt? Welche Rolle spielte der Wald in der römischen Landwirtschaft? Wie viel Mehl pro Stunde konnte eine handelsübliche Mühle mahlen? Was hatten kleine Schoßhunde auf einem Gutshof zu suchen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet das Buch der ehemaligen Leiterin der Römischen Abteilung im Rheinischen Landesmuseum Bonn.
Die villa rustica (den lateinischen Begriff kann man am besten mit „ländlicher Gutshof“ übersetzen – im Gegensatz zur villa urbana, der vornehmen Stadtvilla) war jene Betriebsform, in der sich die römische Agrarwirtschaft vor allem realisierte. Und da diese das Rückgrat der römischen Gesamtwirtschaft darstellte, kam den Villen eine große ökonomische Bedeutung zu. Schon früh gingen die Besitzer der Villen dazu über, nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für den Markt zu produzieren. Entsprechend groß dimensioniert waren die meisten Höfe mit ihren Wohngebäuden, Wirtschaftsräumen und Ställen.
Die Autorin konzentriert sich in ihrem Buch, das durch eine außerordentliche Materialfülle besticht, auf die Gutshöfe in den römischen Rheinprovinzen und in Gallien. Anders als der Titel möglicherweise suggeriert, wird also keine Gesamtdarstellung des Phänomens der villa rustica geboten. Aber das liegt im Wesentlichen daran, dass die Autorin zu ebenjenen Regionen am meisten geforscht hat.
Dafür darf der Leser von einem bemerkenswerten Kenntnisreichtum auf der Grundlage der neuesten archäologischen Forschungen und unter Einbeziehung aller relevanten Textzeugnisse profitieren. Bis ins kleinste Detail hinein werden in den vier großen Rubriken Landwirtschaft im Jahreslauf, Haus und Garten, Feld- und Ackerbau sowie Weinanbau und -herstellung die materiell relevanten Aspekte angesprochen. Dies geschieht in einer sprachlich wenig mitreißenden, mitunter sogar monotonen, jedoch durchgängig soliden und seriösen Darstellungsform.
Lässt das Buch also in Bezug auf die Faktenlage keine Wünsche offen, so hätte man sich eine stärkere historische Kontextualisierung der Angaben gewünscht. Auch die sozialgeschichtlichen Gesichtspunkte des Themas (beispielsweise die geographische und soziale Provenienz der Gutsbesitzer) kommen insgesamt zu kurz. Davon abgesehen, kann man dieses Buch aber allen zur Lektüre empfehlen, die wissen wollen, wie das ganz alltägliche Leben in einer villa rustica funktionierte.
Rezension: Prof. Dr. Holger Sonnabend