Das Jahr 1977: Die Raumsonden Voyager 1 und 2 wurden ins All geschossen, das Centre Pompidou eröffnet, der „Personalcomputer“ Apple II vorgestellt. Die UNO erklärte den 8. März zum „Internationalen Tag der Frau“, Jimmy Carter hielt eine Rede zu den Menschenrechten, und die RAF startete ihre „Offensive 77“. Was haben all diese unverbunden wirkenden Ereignisse mit-
einander zu tun?
Der Schweizer Historiker Philipp Sarasin sucht in seinem anregenden, aber auch recht anspruchsvollen Buch die Verbindungslinien. Die 1970er Jahre kennzeichnet er als „Jahrzehnt der Verunsicherung“, nachdem die 1960er Jahre von Fortschrittsoptimismus und Jugendrevolten geprägt gewesen waren. Die Verunsicherung zeigte sich in verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Feldern: Der Traum einer Revolution war ausgeträumt, das Wirtschaftswachstum hatte durch die Ölkrise eine Delle erhalten, in der Kunst, nicht zuletzt in der Popmusik, wurde die Apokalypse beschworen. Gleichzeitig begann das Computerzeitalter, erscholl der Ruf nach Menschen- und Frauenrechten, nach dem Schutz der „Umwelt“. Das Ende der Nachkriegsentwicklung war gekommen, doch wohin würde das Neue führen? 1977, so Sarasin, ist das Jahr, in dem dieser„Strukturbruch“ besonders gut greifbar wird. Das „Neue“ aber, später als „Postmoderne“ bezeichnet, bestimmt uns bis heute.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Philipp Sarasin
1977
Eine kurze Geschichte der Gegenwart
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, 502 Seiten, € 32,–