Anhand von acht Kurzbiographien nähert sich Thomas Bührke, seines Zeichens promovierter Physiker und Wissenschaftsjournalist, dem leider bis in unsere Gegenwart relevanten Komplex der Verfolgung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an. In den biographischen Skizzen wird knapp der jeweilige Lebensweg nachgezeichnet. Dabei ist allen hier zusammengetragenen Beispielen zu eigen, dass diese Koryphäen ihres Faches im Lauf ihres Lebens auf die eine oder andere Weise zu Opfern ihrer rückständigen, bigotten oder schlicht rassistischen Zeitgenossen wurden.
Der Fokus der Darstellung liegt auf einer allgemeinverständlichen Erklärung ihrer wissenschaftlichen Leistungen. Diese gut lesbar zu gestalten ist sicher keine Trivialität, aber zentral für das Anliegen des Autors. Ihm kommt es darauf an, durch die Hervorhebung der Bedeutung ebendieser wissenschaftlichen Leistungen im Kontrast zur erlebten Ungerechtigkeit und dem daraus erwachsenden Leid die fundamentale Bedeutung der Freiheit wissenschaftlicher Forschung zu belegen. Besonders erfrischend erschien bei der Lektüre, dass dieser Zusammenhang implizit vermittelt wird und so der Autor nicht als schulmeisterlicher Welterklärer in den Vordergrund tritt.
Im Einzelnen werden Giordano Bruno, Jean-Sylvain Bailly, Antoine de Lavoisier, Lew Landau, Lise Meitner, Emmy Noether, Albert Einstein und schließlich Alan Turing abgehandelt. Dass es sich dabei nur um einen Querschnitt ohne Anspruch auf Vollständigkeit handeln kann, ist klar und für die Botschaft des Werkes letztendlich auch ohne Bedeutung. Was das Buch nicht sein kann und auch nicht sein will, ist Wissenschaftsgeschichte. Aber auch dieser Punkt erscheint ein zu vernachlässigender Aspekt vor dem Hintergrund, dass es angesichts der in heutigen Autokratien und am rechten Rand unserer eigenen Gesellschaft erstarkenden Misogynie, Homophobie und Antisemitismus sicher mehr als angebracht ist, auf die Leistungen und das Schicksal eines Alan Turing oder einer Lise Meitner zu verweisen.
Der bittere Beigeschmack, der nach der Lektüre bleibt, ist lediglich der, dass es dem Autor noch nicht einmal ansatzweise gelingen kann, das Problemfeld in seiner ganzen Tiefe auszuloten. Wie sollte das auch möglich sein, wenn, wie Bührke selbst schreibt, allein seit der Jahrtausendwende weit über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Schicksal der Flucht oder Vertreibung erleben mussten.
Rezension: Dr. Thomas Schuetz
Thomas Bührke
Die Verfolgten
Geniale und geächtete Wissenschaftler von Giordano Bruno bis Alan Turing
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2022, 304 Seiten, € 22,–