„Ich hatte es gar nicht so übel!“ So resümiert der polnische Holocaust-Überlebende Anatol Chari, Sohn eines einflussreichen jüdischen Kaufmanns, seine Zeit im Ghetto in Lódz. Beschützt vom Vorsitzenden des Judenrats, konnte er seine Schulausbildung im Lyzeum des Ghettos abschließen und wurde von 1942 bis 1944 Mitglied der jüdischen Ghetto-Polizei, dem Sonderkommando. Dadurch genoss er Privilegien, vor allem hatte er bessere Möglichkeiten, an Nahrungsmittel für sich und seine Familie heranzukommen. Sein zunächst noch guter Gesundheitszustand vermehrte auch seine Überlebenschancen in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern.
Doch Chari erzählt auch von glücklichen Zufällen, von Improvisationskunst und Hilfeleistungen anderer, die sein Überleben erst ermöglichten. Beginnend mit der deutschen Besetzung Polens 1939 und der Ermordung seines Vaters durch die Nazis, beschreibt der Autor detailliert das Leben im Ghetto und in den Todeslagern. Sein Bericht schärft das Bewusstsein dafür, dass es auch an diesen Orten des Grauens Hierarchien und Privilegien gab, die über Leben und Tod entscheiden konnten.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger