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Undercover – Die Kultur der Denunziation in den USA

Stieglitz, Olaf

Undercover – Die Kultur der Denunziation in den USA

Weil Denunziation in Geschichte und Gegenwart allgegenwärtig ist, gehört sie zum festen Repertoire historischer Forschung. Einzig die Amerika-Forschung tanzte lange Zeit aus der Reihe – aus Gründen, die wenig mit der Sache, aber viel mit den Besonderheiten dieses Fachs zu tun haben. Dass wir uns jetzt endlich ein tiefenscharfes Bild über die Praktiken und die Dynamik des Denunzierens in den USA machen können, ist das bleibende Verdienst von Olaf Stieglitz, Professor für Nordamerika-Studien an der Freien Universität Berlin.

Am Beispiel des 20. Jahrhunderts legt er auf durchgehend überzeugende, mitunter brillante Weise dar, warum das Verraten, Anschwärzen und Anzeigen von Fremden wie von Freunden und Familienmitgliedern phasenweise zum politischen Alltag in den USA gehörte. Und das ausgerechnet in einem Land, in dem Denunzianten bis heute als „unamerikanisch“ gelten, als Verräter an einer für Abweichungen jedweder Art angeblich so offenen Kultur und Gesellschaft.

Den wichtigsten Lesehinweis gibt der Autor selbst. Wer „weniger Wert auf die theoretischen Fragen [legt], [kann] direkt beim zweiten Kapitel in die Lektüre einsteigen.“ In der Tat: Auf 50 Seiten zum gefühlt 5000. Mal eine Zusammenfassung der Theorienangebote des französischen Philosophen Michel Foucault offeriert zu bekommen, darauf kann man getrost verzichten. Dies gilt insbesondere, weil der Autor die Essenz dieser Theorie auf elegante Weise bei der Interpretation seines empirischen Materials zum Klingen bringt und deutlich macht, warum die Kategorien „Selbstmobilisierung“ und „Selbststeuerung“ zu Recht zum Inventar einer avancierten Zeitgeschichtsschreibung gehören.

Um nur ein Beispiel aus dem reichhaltigen Befund des Buchs zu nennen: Die in der nach dem Senator Joseph McCarthy benannten Ära zuhauf auftretenden Denunzianten betrieben nicht nur einen hohen Aufwand, um sich selbst und ihresgleichen als Hüter der „nationalen Sicherheit“ auszuweisen; sie „adelten“ zugleich ein bereits seit dem Ersten Weltkrieg bekanntes Rollenmodell. Ob ihre Hinweise für Regierung und Polizei tatsächlich von Wert waren oder nicht, blieb zweitrangig. Was zählte, war der zur staatsbürgerlichen Pflicht aufgewertete Akt des Spionierens, Kontrollierens und Informierens selbst. Außerdem motivierte das damit verknüpfte Versprechen sozialer Anerkennung und Belobigung; hatte man sich doch zum Schutz der Allgemeinheit angeblich über quälende Gewissensbisse hinweggesetzt.

Auch wenn – wie Stieglitz immer wieder zu Recht betont – die verwirrend vielschichtige Geschichte des Denunzierens unmöglich auf einen Nenner zu bringen ist, so handelt sie doch auffällig oft von verängstigten Bürgern, die staatlichen „Angstunternehmern“ freiwillig zuarbeiten. Dass das Buch diese Gegenwartsdimension nicht nur benennt, sondern in ihren systematischen Bezügen erhellt, ist ein weiteres und nicht das geringste Verdienst.

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Rezension: Prof. Dr. Bernd Greiner

Stieglitz, Olaf
Undercover – Die Kultur der Denunziation in den USA
Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2013, 395 Seiten, Buchpreis € 34,90
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