Im Alter könne sie die furchtbaren Bilder nicht mehr verdrängen, sagt die fast 100-jährige Maria König, genannt Marischa, und vertraut deshalb der befreundeten Antje Leetz zum
ersten Mal ihre teilweise sehr schmerzlichen Erinnerungen an. Eine behütete Kindheit im polnischen Łodź erlebte Marischa, bevor sie mit ihrer Familie in die Fänge der Nationalsozialisten
geriet. Das dortige Ghetto überlebte sie, wurde dann mit ihrer Mutter ins KZ Theresienstadt verschleppt, wo diese ermordet wurde. Zuvor hatte die Mutter ihrer Tochter noch Mut gemacht mit dem Satz: „Du wirst das schaffen.“ Und Marischa schaffte es.
Zunächst nach Frankfurt am Main verschlagen, emigrierte sie 1946 mit ihrem Mann Adi, ebenfalls einem Holocaust-Überlebenden, in die USA. Das Paar kehrte jedoch, da ihm der „american way of life“ nicht zusagte, 1949 nach Deutschland zurück, und zwar, als überzeugte Kommunisten, in die DDR. Dort trafen sie auf andere Schicksalsgenossen aus den KZs, die ihnen den Neuanfang erleichterten. Das Paar baute sich ein neues Leben auf: Marischa wurde Lehrerin, ihr Mann lehrte nach dem Studium als Historiker an der Humboldt-Universität. Und so muss Marischa, die ihr Alter in Frankfurt am Main verbringt, ihr Leben wirklich wie ein Wunder erscheinen. Deutlich wird aber auch, mit wie viel Mut und Tatkraft sie dieses Wunder des Überlebens selbst gestaltete.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Antje Leetz (Hrsg.)
Marischa – mehr als ein Wunder
Eine Überlebensgeschichte
Wallstein Verlag, Göttingen 2021, 165 Seiten, € 20,–