Als der SS-Lagerarzt Josef Mengele am 20. Juni 1944 im Konzentrationslager Auschwitz vor ihr stand, bewies Häftling A-4116 starke Nerven. Auf seine Frage nach ihrem Beruf antwortete sie, ohne zu zögern: „Elektrikerin“. Dieser spontane Einfall sollte ihr ein weiteres Mal das Überleben sichern. Bei A-4116 handelte es sich um die 1920 in Prag geborene Franci Rabinek Epstein. Die tschechische Jüdin hatte zum Zeitpunkt der hier geschilderten Begegnung mit Mengele bereits Schlimmes erlebt.
Ihren Überlebensweg, der vom Ghetto Theresienstadt über Auschwitz in die Außenlager des KZ Neuengamme nach Hamburg und Bergen-Belsen führte, wo Epstein 1945 befreit wurde, schrieb sie in den 1970er Jahren nieder. Allerdings war kein Verlag für ihre Perspektive offen. Ihre Erinnerungen wurden erst vor kurzem veröffentlicht und liegen nun auch in deutscher Übersetzung vor. Das Besondere an Epsteins Aufzeichnungen sind die direkten, klaren und offenen, teilweise auch unerwartet humorvollen Äußerungen, die von einer erstaunlichen Fähigkeit zeugen, unvorstellbare Lebenssituationen zu überstehen.
Rezension: Anna Joisten
Franci Rabinek Epstein
Die Elektrikerin
Mein Überlebensweg als tschechische Jüdin
1939 bis 1945
Hrsg.: Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte. Dölling und Galitz Verlag, München/Hamburg 2022, 232 Seiten, € 28,–