„Mein Helfer nahm einen rotsamtenen Polster, trennte ihn auf und nahm einen Teil der Federn heraus und tat die Heilige Krone in den Polster und nähte ihn wieder zu.“ Mit diesen Worten schilderte Helene Kottannerin, wie sie im Jahr 1439 die ungarische Krone stahl. Sie handelte dabei auf Anweisung von Königin Elisabeth von Luxemburg. Diese war hochschwanger, ihr Ehemann kurz zuvor verstorben. Um die Erbfolge für das noch ungeborene Kind zu sichern, hatte sie ihre Kammerfrau und Vertraute mit dem Raub der Krone beauftragt.
Ein Thronstreit, eine Kammerfrau, der Diebstahl einer Krone – das alles ist großartiger Stoff. Lebendige Einblicke in diese spektakuläre Geschichte haben wir deshalb, weil Helene Kottannerin ihre Erlebnisse schriftlich festhielt. Es sind die ältesten erhaltenen Memoiren einer Frau in deutscher Sprache. Die auf das Mittelalter spezialisierten Historikerinnen Julia Burkhardt und Christina Lutter haben den Text nun erstmals vollständig in heutiges Deutsch übertragen. Zudem erläutern sie wissenschaftlich versiert und gut verständlich historische Hintergründe und beleuchten die Lebens- und Glaubenswelt der Kammerfrau aus dem 15. Jahrhundert. Mit dem vorliegenden Buch ist es ihnen gelungen, eine spannende Quelle aus dem mittelalterlichen Donauraum einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Julia Burkhardt/Christina Lutter
Ich, Helene Kottannerin
Die Kammerfrau, die Ungarns Krone stahl
Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2023, 192 Seiten, € 24,–