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Schillerndes Brüderpaar

Charlotte Schubert

Schillerndes Brüderpaar

Charlotte SchubertDie turbulente Schlussphase der römischen Republik war schon immer ein dankbares Objekt für große Erzählungen. Gerade unserer eigenen Zeit, der fundamentale Sicherheiten abhandenkommen, scheint die Epoche viel zu sagen zu haben. Wie sonst ist zu erklären, dass der Buchmarkt gleich mit einer ganzen Reihe von Neuerscheinungen zu den letzten, von Bürgerkriegen überschatteten Jahrzehnten der Republik aufwarten kann?

Die meisten dieser Bücher sind Biographien. Dem Anfang vom Ende widmet sich die Leipziger Althistorikerin Charlotte Schubert mit einem fulminant-erzählenden Doppelporträt. Ihre Protagonisten sind Tiberius und Gaius Gracchus, die Urheber der Reformen, über die Roms Republik aus dem Gleis geriet. Das Bild des Brüderpaares in der modernen Forschung ist schillernd: Die Helden des einen sind dem anderen Schurken; was hier als Einsicht in die Nöte der breiten Masse verkauft wird, erscheint dort als opportunistische Strategie der Machtgewinnung. Schubert schlägt sich klar auf eine Seite: Ja, die Gracchen sind gescheitert, doch nein, ihr popularer Weg war nicht bloße Methode, sondern folgte einem präzisen politischen Programm und vor allem einem aus Griechenland entlehnten ethischen Kompass, dem die Stoa die Richtung vorgab. Das Buch holt weit aus, um die stoische Sozialethik verständlich zu machen: Die Freiheit des Einzelnen und Besitzrechte waren darin keineswegs absolut, sondern an das Gemeinwohl gebunden. Mit diesen Überzeugungen wuchsen die Gracchen im Rom des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf.

Schubert beginnt mit dem Tod des Tiberius Gracchus, seinen Folgen und dem Spin, den die politischen Akteure in den folgenden rund 100 Jahren gaben. Sie richtet dann den Blick auf das Milieu, in dem die Gracchen groß wurden, vor allem auf Scipio Aemilianus, den Mentor, von dem sich Tiberius Gracchus entfremdete, indem er sich Scipios Rivalen Appius Claudius Pulcher annäherte. Sie verfolgt Tiberius’ Karriere vor dem Volkstribunat bis vor die Tore der spanischen Stadt Numantia, wo das römische Heer, dem er als Quästor diente, eine krachende Niederlage erlitt. Entgegen dem Mainstream der Forschung nimmt Schubert aber nicht an, dass die Schmach der Niederlage für Tiberius später handlungsleitend wurde. Entscheidend sei vielmehr gewesen, dass der junge Politiker, sensibilisiert durch seine stoische Prägung, die sozialen Missstände im Land ungefiltert wahrnahm.

Schubert schildert dann in drei meisterhaften Skizzen, wie zuerst Tiberius sich in seinem Volkstribunat der Probleme annahm, wie dann Gaius aus seinem Scheitern lernte und die Maßnahmen zu einem „institutionellen Schutzkonzept“ für römische Bürger verdichtete und wie schließlich über den Leichen der Tribune der Kampf um die Deutungshoheit tobte. Zog man aus der Gewalteruption von 132 und 121 v. Chr. die richtigen Schlüsse? Folgt man Schubert, dann waren es die falschen: Das Notstandsrecht, auf das sich die Senatsmehrheit berief, brachte die Römer um elementare Schutzrechte und spaltete die Republik. Wehrlos war sie deshalb ihren Feinden ausgeliefert.

Rezension: Prof. Dr. Michael Sommer

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Charlotte Schubert
Der Tod der Tribune
Leben und Sterben des Tiberius und Caius Gracchus
Verlag C. H. Beck, München 2024, 303 Seiten, € 32,–

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Po|ly|sac|cha|rid  〈[–xa–] n. 11; fachsprachl.〉 = Polysacharid

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