„Alle Handwerker üben einen niederen Beruf aus.“ Mit diesem harschen Urteil stand der Römer Cicero nicht allein – im Gegenteil: Die Adligen und die bürgerlichen Eliten in der römischen Gesellschaft schauten mit einer Mischung aus Geringschätzung und Verachtung auf jene Menschen herab, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer eigenen Hände Arbeit zu bestreiten hatten. Das hatten sie mit den Griechen gemeinsam, die Handwerker als „Banausen“ – wörtlich übersetzt „Ofenarbeiter“ – zu bezeichnen pflegten. Die Meinung der „Oberen Zehntausend“, deren Quelle des Reichtums in der Regel landwirtschaftlicher Großbesitz war, prägte das allgemeine Bild.
Dabei waren die Handwerker ein wichtiger Bestandteil der römischen Wirtschaft. Davon kann man sich nun in dem exzellenten Buch von Margot Klee in kompakter und anschaulicher Weise überzeugen. Im Gegensatz zu dem etwas biederen Titel liefert die Autorin eine umfassende und spannende Darstellung des Themas, eng an den Quellen orientiert, durchgängig auf dem neuesten Stand der Forschung und mit reichem, nicht nur illustrativem, sondern auch die Argumentation unterstützendem Bildmaterial versehen.
In einem ersten Teil widmet sie sich dem Sozialprestige des Handwerkers und hebt dabei den nur vordergründig widersprüchlichen, tatsächlich aber die Haltung der meinungsbildenden Führungsschichten bestens charakterisierenden Umstand hervor, dass diese zwar nicht die Handwerker an sich, wohl aber deren vielfältige Produkte schätzten. Behandelt werden in diesem Teil auch Fragen wie Absatzmärkte, Verteilungswege und Berufsverbände.
Im zweiten Teil geht es um die technische Seite des römischen Handwerks. Hier findet der Leser Antworten auf alle praktischen Fragen, von den Rohstoffen und verwendeten Materialien über Schmelzverfahren bis hin zur „chemischen Industrie“ (Teer, Pech und Harze). Sehr hilfreich sind Tabellen zum römischen Währungssystem, zum Lohn-Preis-Verhältnis anhand des Haushaltsbuchs einer durchschnittlichen Familie aus Pompeji sowie zum Höchstpreisedikt des Kaisers Diokletian aus dem Jahr 301 n. Chr.
Angesichts der thematischen Anschaulichkeit hätte es allerdings nicht der etwas bemüht wirkenden sprachlichen Modernismen („Ich-AG der Römerzeit“, „Produktvermarktung“) bedurft. Doch dies stellte keine wirkliche Beeinträchtigung bei der Lektüre eines Buchs dar, das die gegenwärtig beste deutschsprachige Gesamtdarstellung zum Thema „Römisches Handwerk“ bietet.
Rezension: Sonnabend, Holger