Fast 20 Jahre nach dem Erscheinen von Wolfgang Müller-Wieners „Griechisches Bauwesen in der Antike“ liegt nun aus der Feder des Kölner Archäologen Henner von Hesberg, ausgewiesen durch eine Fülle von Veröffentlichungen zur römischen Urbanistik, zum Baudekor und zur Sepulkral-architektur, das Pendant zur römischen Architektur vor.
Daß ihm beim Begriff „römische Baukunst“ nicht ganz wohl zumute ist, bekundet der Verfasser selbst: Was „Rom“ und das „Römische“ über die Jahrhunderte und an den verschiedenen Enden des Riesenreichs jeweils ausmachte, ist zumindest nicht ganz leicht zu vereinheitlichen. Dennoch entledigt sich von Hesberg der schwierigen Aufgabe mit Bravour, beweist fast schon die Fähigkeit zur Quadratur des Kreises: Das Buch ist eine solide Einführung, ohne doch Abstriche an der Komplexität des Gegenstandes zu machen. Sicher begleitet das Buch den Leser durchs Dickicht archäologisch-bauhistorischer Terminologie, vermittelt Grundla?genwissen über Bau-weisen, Materialien und Dekor und behandelt im Hauptteil systematisch die verschiedenen Bautypen, nie ohne deren Sitz im Leben einer antiken Gesellschaft zu vergessen. Von Hesberg läßt Architektur in ihrer praktischen Dimension, immer wieder aber auch in ihrer Zeichenhaftigkeit verständlich werden und vermittelt so einen Eindruck von den Problemen, die entstehen, wenn Altertumswissenschaftler aus ihrer Perspektive im nachhinein den Sinn, den antike Bauten für ihre Erbauer und Nutzer hatten, rekonstruieren wollen.
Das Buch eröffnet seinen Lesern nicht den leichtesten Zugang zur gebauten Umwelt des Imperium Romanum; es kann nicht mit ästhetischen Genüssen auf Kunstdruckpapier aufwarten. Wer aber Henner von Hesberg auf seinem etwas beschwerlicheren Weg zu den materiellen Hinterlassenschaften der uns so nahen und doch so fernen Römer begleiten will, dem bietet sich am Ende ein faszinierend neuer Ausblick auf scheinbar Altvertrautes. Was kann ein Buch mehr wollen?
Rezension: Sommer, Michael