Der amerikanische Althistoriker Robert Knapp bietet eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte der „ganz normalen Römer“, also der Menschen, die sich gesellschaftlich unterhalb der sehr schmalen, in drei Stände gegliederten sozialen Elite befanden. Anders als die meisten traditionellen Bücher zur Alltagsgeschichte treten Informa‧tionen, etwa zu Wohnung, Nahrung oder Freizeit, zurück; hier stehen die Menschen im Mittelpunkt.
Die ersten beiden Kapitel handeln von Männern und Frauen allgemein, während die drei folgenden Abschnitte präziser bestimmte, aber in sich immer noch sehr heterogene Gruppen behandeln: Arme, Sklaven und Freigelassene. Die Soldaten stehen gesondert, weil sich ihr Leben überwiegend im Militärlager abspielte und ganz eigenen Regeln gehorchte. Die letzten drei Kapitel befassen sich mit Randgruppen; ihre Auswahl – Prostituierte, Gladiatoren, Banditen und Piraten – bedient sicher auch eine gewisse Sensationslust, ist aber zu rechtfertigen, da alle drei Gruppen Gegenstand ertragreicher Forschungen waren und sind. Knapp stellt sie auch nicht isoliert nebeneinander, sondern schildert etwa, wie aus Solda‧ten Banditen werden konnten, und in einem Fall sogar ein Kaiser!
Ein verbindendes Element sieht der Autor in den moralischen Orientierungen seiner Akteure, von denen etwa zwei Drittel ihre schiere Subsistenz ohne Risikopuffer zu erhalten bemüht sein mussten. Arbeit und eheliche Treue wertzuschätzen gehörte zum moralischen Kompass – was Gewalt und Missbrauch in der Ehe nicht ausschloss. Schulden und Unterbeschäftigung drückten. Arbeit und Geselligkeit, Familie und Verein, Magie und Kulthandlungen bestimmten die Grundhaltung – und hatten einen gewissen Schutz gegen die Zufälle und Gefahren des Lebens zu bieten. Die Interessen und Werte der Elite spielten hier eine geringe Rolle: Man verachtete die Arbeit nicht, und mit dem Apparat des Rechts wollte man nichts zu tun haben.
Knapp bringt komplexe Befunde auf den Begriff, bürstet Gängiges gegen den Strich und führt zugleich eine Fülle anschaulicher, teils wenig bekannter Quellenzitate an. Ein vorzügliches Buch!
Rezension: Prof. Dr. Uwe Walter