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Preußens Sonderweg

Hartwin Spenkuch

Preußens Sonderweg

Es scheint an Gesamtdarstellungen zur preußischen Geschichte kein Mangel zu bestehen. Allein in den letzten 15 Jahren haben Wolfgang Neugebauer, Ernst Hinrichs, Monika Wienfort und vor allem Christopher Clark einschlägige Bücher vorgelegt. Dies zeigt, dass die Geschichte dieses Staats sowohl innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft als auch in der geschichtsinteressierten Öffentlichkeit auf unvermindert großes Interesse stößt.

Während in den obengenannten Studien – mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – die Geschichte des Hohenzollernstaats chronologisch, also vom Aufstieg im 17. Jahrhundert über sein Aufgehen im Deutschen Reich bis zu seiner staatsrechtlichen Auflösung 1947, erzählt wird, wählt Spenkuch in seinem Werk einen anderen Ansatz.

In sieben Kapiteln untersucht er die in seinen Augen entscheidenden Bereiche der Staats- und Gesellschaftsentwicklung, so etwa die sozialen Strukturen, die Regionalismus-Problematik, das politische System oder den „Kulturstaat“. Dabei folgt der Skizze der Ereignisgeschichte jeweils eine Auseinandersetzung mit den neueren Forschungen.

Zwar nimmt die Darstellung dadurch mitunter einen etwas handbuchartigen Charakter an – zur Freude derjenigen, die sich rasch zu einzelnen Teilen der preußischen Staats- und Gesellschaftsentwicklung informieren möchten –, jedoch erscheint dieses Vorgehen für Spenkuchs Hauptanliegen durchaus plausibel. Denn es geht ihm vornehmlich darum, die Außergewöhnlichkeit des preußischen Wegs in die Moderne aufzuzeigen.

In seiner perspektivenreichen Einleitung hebt er dezidiert auf das Paradigma eines „Sonderweges“ ab, den Preußen beschritten habe. Spenkuch möchte zudem den in seinen Augen zu sehr relativierenden und partiell sogar an einer „Aufhübschung“ des Preußen-Bildes interessierten Studien eine andere Sicht gegenüberstellen, die sich auf neueste quellengesättigte Forschungsarbeiten berufen kann. Besonders arbeitet sich der Verfasser an dem seinerzeit hochgelobten Buch von Christopher Clark („Preußen. Aufstieg und Niedergang 1648 –1947“. Deutsche Verlags-Anstalt 2007) ab, dem er in Teilen beschönigende Wertungen unterstellt.

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Beeindruckend ist die Belesenheit Spenkuchs, und lobenswert erscheint auch die vergleichende Perspektive, mit der er den preußischen Befund in den Kontext der deutschen bzw. europäischen Entwicklung stellt.

Gleichwohl liegen die Stärken des Bands eher im 19. und 20. Jahrhundert, was sich nicht zuletzt auch in den Proportionen niederschlägt. Während im Kapitel über Preußen innerhalb der europäischen Mächtepolitik und in demjenigen zu „Preußens Regionen“ jeweils dem 17. und 18. Jahrhundert nur wenige Seiten zugemessen werden, erhält die nachfolgende Epoche eine wesentlich größere Aufmerksamkeit. Dies mag an den bisherigen Forschungsschwerpunkten des Autors liegen, aber es scheint dies auch durch das „Sonderweg“-Paradigma bedingt, denn gerade für diese Epoche besitzt seine Argumentation mehr Überzeugungskraft als zu den vorhergehenden Jahrhunderten.

Man mag nicht allen Einsichten und Thesen folgen, die der Autor mitunter sehr pointiert und in erfrischender Deutlichkeit vorträgt – auf die künftigen Debatten zum Preußen-Thema dürften sie aber allemal belebend wirken.

Rezension: Prof. Dr. Frank Göse

Hartwin Spenkuch
Preußen – eine besondere Geschichte
Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur 1648 – 1947
Verlag Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2019, 532 Seiten, € 70,–

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