Einen Wechsel der Perspektive auf die deutsche Geschichte möchte ein von Andreas Fahrmeir herausgegebener Sammelband vornehmen. Bei der Betrachtung von historischen Ereignissen und Prozessen sollen nicht nationale Aspekte, sondern globale Verflechtungen im Mittelpunkt stehen. Herausgekommen ist ein fast 1000-seitiges Werk, für das 172 Autorinnen und Autoren kurze, zum Teil durchaus lesenswerte Beiträge verfasst haben.
Irritationen erzeugt jedoch schon der Blick auf das Inhaltsverzeichnis: Statt nun Neues, Überraschendes zu entdecken, gibt es viel Altbekanntes. Nach Einflüssen fremder Kulturen auf Deutschland – eine Kernfrage der Globalgeschichte – sucht man meist vergebens. Das Konzept des Bandes gibt Rätsel auf: Er beginnt mit 400 000 v. Chr. und der „frühen Migrationsgeschichte“. Wie sich dies mit dem Untertitel „Globalgeschichte einer Nation“ verträgt, bleibt ein Geheimnis.
Obwohl der Schwerpunkt des Bandes auf dem 19. und dem 20. Jahrhundert liegt, klaffen große Lücken. Wo bleibt die DDR jenseits vietnamesischer Arbeitsmigration? Außerdem sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Um nur ein Beispiel für das Mittelalter zu nennen: Es fehlt die byzantinische Prinzessin und römisch-deutsche Kaiserin Theophanu, geradezu eine Verkörperung von Globalgeschichte.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Andreas Fahrmeir (Hrsg.)
Deutschland
Globalgeschichte einer Nation
Verlag C. H. Beck, München 2020, 935 Seiten, € 39,95