“25 Jahre Arbeitslager!” Gegen unzählige Angeklagte wurde dieses Strafmaß in der Sowjetischen Besatzungszone und in der frühen DDR verhängt. Die von den sowjetischen Militärtribunalen verfügten Strafen standen regelmäßig in keinem Verhältnis zu den vielfach konstruierten Straftaten. Zu 25 Jahren Zwangsarbeit war Wolfgang Natonek verurteilt worden, der Leipziger Studentenpfarrer der 40er Jahre. 25 Jahre wegen angeblicher Spionage und Sabotage bekam auch Günter Stempel. Der Funktionär der LDPD war 1950 frühmorgens verhaftet worden, weil er angekündigt hatte, in der “Provisorischen Volkskammer” gegen die Einführung der Einheitsliste zu plädieren. Zu 25 Jahren wurde auch Erich Nelhans, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlins, verurteilt. Wie so viele, überlebte er die Torturen im Gulag nicht. Und der Leipziger Student Herbert Belter hatte noch in seiner Verteidigungsrede Gewissensfreiheit, Rede- und Pressefreiheit eingefordert – und wurde 1951 in Moskau erschossen. Vier Namen von Tausenden. Anhand von 59 kurzen biographischen Skizzen möchten die Herausgeber Karl Wilhelm Fricke, Peter Steinbach und Johannes Tuchel mit ihrem Buch “Opposition und Widerstand in der DDR” vor allem die Erinnerungsarbeit in Gang bringen. Das Kompendium soll dazu beitragen, das Wirken von Widerständigen und Oppositionellen bis in die 60er Jahre hinein ins kulturelle Gedächtnis der heutigen Bundesrepublik zu heben. Solch “politische Lebensbilder” lassen freilich die äußeren und inneren Konflikte, die Ängste und Verlassenheitsgefühle dieser Menschen nur erahnen. Der Band ist daher unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nur eine erste und eröffnende Annäherung an die vielen Einzelnen.
Rezension: Gries, Rainer