Die Entdeckungsreisen des 16. und 17. Jahrhunderts und die Berichte, die die wagemutigen Pioniere für ein staunendes Publikum verfaßten, gehören zu den bevorzugten Themen der Historiographie. Zur Sprache kommen hier gewöhnlich der Fortgang der europäischen Eroberungen oder die wechselvollen Schicksale der Konquistadoren. Neuerdings geht es zusätzlich um die Frage, wie die Europäer das Fremde wahrnahmen, das ihnen bei ihren Vorstößen in das Unbekannte begegnete. Einen besonderen Aspekt des Themas hat sich Kirsten Mahlke für ihre Studie „Offenbarung im Westen“ ausgesucht. Ihr geht es um den Zusammenhang zwischen den Reiseberichten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus Ame-rika und dem reformierten Schrifttum dieser Zeit. Im Zentrum stehen die Hugenotten, deren Lage in Frankreich sich dramatisch verschlechtert hatte und deren Schriften dort seit 1559 nicht mehr gedruckt werden durften. So mußten die reformierten Glaubensinhalte auf anderen Wegen verbreitet werden – etwa durch die Reiseliteratur. Nach einer Einführung zu Themen und Formen protestantischen Schreibens zeigt die Autorin anhand von Berichten aus Florida, Brasilien und Kanada, wie die Verfasser es verstanden, den heimatlichen Glaubenskrieg in die ferne Neue Welt zu verlagern, wie die „Wilden“ und die Glaubensfeinde zu einem Gegenbild verschmolzen.
Rezension: Talkenberger, Heike