Das Thema des Buchs von Ulinka Rublack ist die soziale Rolle der Kleidung in der Renaissance und ihr Beitrag für die Ausbildung von Identität. Betrachtet wird die bürgerliche, besonders die protestantische Kleidungspraxis im deutschen Reich. Nicht nur der Adel war, wie oft behauptet, „Trendsetter“ für neue Moden: Im 16. Jahrhundert entwickelte sich ein neuer „Dresscode“ bürgerlicher Kleidung in den blühenden Reichsstädten.
Rublack befasst sich ausführlich mit dem Kostümbuch des Matthäus Schwarz (seit 1520). Dieses erstaunliche Werk mit seinen 135 Aquarellen dokumentiert die Lebensstationen des Buchhalters der Fugger und seine sozialen Rollen im Spiegel seiner Kleidung. Anschließend zeigt die Autorin, wie sich ein verbindlicher Kleidungskodex für reformatorische Pfarrer herausbildete, ein Zusammenhang von nationaler Gesinnung und Kleidungskritik bei den Humanisten bestand, das Trachtenbuch des Christoph Weiditz von 1530 ein erstaunlich offenes ethnographisches Interesse am Anderen offenbart oder der Protestantismus eine moralisierende Luxuskritik entwickelte. Ein Vergleich mit katholischen Gebieten wäre hier sinnvoll gewesen. Besonders interessant ist, wie auch Angehörige der Unterschicht trotz Verbots ihre Kleidung phantasievoll gestalteten, um ihrer Individualität Ausdruck zu geben.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Ulinka Rublack
Die Geburt der Mode
Eine Kulturgeschichte der Renaissance
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2022, 534 Seiten, € 48,–