Muss es in menschlichen Gesellschaften Ungleichheit, hierarchische Strukturen und Unterdrückung geben? Und existiert nur dieser eine Weg, wie ihn die westliche Zivilisation im Namen des Fortschritts beschritten und indigenen Gesellschaften aufgezwungen hat? Zwei US-amerikanische Wissenschaftler, der mittlerweile verstorbene Anthropologe David Graeber und der
Archäologe David Wengrow, bezweifeln dies und legen selbstbewusst und eloquent eine „neue Geschichte der Menschheit“ vor.
Sie widersprechen sowohl Jean-Jacques Rousseau und seiner „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“, in der die Zivilisation in zwangsläufigen Entwicklungsstufen gedacht wird, als auch Thomas Hobbes’ pessimistischem Menschenbild. Stattdessen entwerfen sie ein Panorama alternativer Gesellschaftsorganisationen jenseits gängiger Schemata. Sie gehen dabei weit in die Frühzeit zurück oder zu den Indigenen Nordamerikas, die wichtige Ideen der Freiheit und Gleichheit vertreten und damit die europäische Geschichte beeinflusst hätten – ein Perspektivwechsel also auch hier. Die Thesen dieses anregenden Buchs, das an den Grundpfeilern unserer Gesellschaftsvorstellungen rüttelt, werden sicherlich noch breit diskutiert werden.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
David Graeber/David Wengrow
Anfänge
Eine neue Geschichte der Menschheit
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2022, 667 Seiten, 28,–