Dem Maler Max Beckmann (1884–1950) wird eine neue Deutung seines Gesamt‧schaffens gewidmet: Uwe M. Schneede, der renommierte Beckmann-Kenner und verdienstvolle Herausgeber der Beckmann-Briefe, hat in souveräner Kenntnis des Materials und der Forschungslage eine sehr gut geschriebene und wegweisende Monographie vorgelegt. Diese Publikation versteht sich als Summe seiner bisherigen Gedanken zu Beckmann.
In acht Kapiteln zeichnet Schneede die Stationen der be‧wegten Biographie Beckmanns und seiner künstlerischen Entwicklung nach, vom Berliner Sezessionisten, dann Exponenten der Neuen Sachlichkeit bis hin zum großen Einzelgänger im Amsterdamer Exil und der Nachkriegszeit in den USA. Dabei wird anschaulich, worin Beckmanns herausgehobene Stellung begründet liegt: Er ist, wie es im Untertitel heißt, wie kein anderer „Maler seiner Zeit“.
Schneede erläutert die explizite Zeitgenossenschaft in allen Verästelungen des Œu‧vres, besonders eindrucksvoll an zwei epochalen Werken: der „Nacht“ von 1918/19 und dem Triptychon „Departure“ von 1932/1935, mit denen nicht nur wichtige Zäsuren innerhalb der deutschen Geschichte markiert sind, sondern auch neue Wege in Beckmanns Kunst angezeigt werden. Schneede kann verdeutlichen, dass Beckmann in seiner Kunst nicht immer leicht verständ‧liche Metaphern („Übersetzungen“) findet, um die Bedeutung „seiner Zeit“ aus der eigenen Lebenssituation her‧aus sichtbar zu machen. Dabei ist die persönliche Freiheit sein Generalthema.
Sehr geschickt integriert der Autor in Unterkapiteln damit zusammenhängende Einzelbetrachtungen, etwa über typische Motive (Paare, Fensterbilder), die Farbe Schwarz oder die Gattung des Stillebens. In Kapitel 7 werden wichtige Erläuterungen zur Maltechnik sowie zu bildkünstlerischen Mitteln eingeschoben.
In der Nutzung bisher unpublizierter autobiographischer Dokumente setzt Schneede Bemühungen der Forschung seit 2005 fort. Dies mag man auch als einen Hinweis des Autors verstehen: Eine wissenschaft‧liche Neuedition der Tagebücher Beckmanns aus den Jahren 1940 bis 1950, ergänzend auch die der entsprechenden Notizen seiner Frau Quappi, wäre wünschenswert. Das reichlich und gut bebilderte Buch im repräsentativen Format wird jedem Interessierten ein Cicerone in dem oft rätselhaften „Welttheater“ Beckmanns sein.
Rezension: Billeter, Felix