Die Ebstorfer Weltkarte ist die größte und reichhaltigste Erddarstellung, die aus dem Mittelalter erhalten geblieben ist. Die Karte, wohl im Benediktinerinnenkloster Ebstorf (südlich von Lüneburg) um 1300 entstanden, wurde dort im 19. Jahrhundert wiederaufgefunden und nimmt eine Fläche von annähernd 13 Quadratmetern ein. Das Original verbrannte 1943 bei einem Bombenangriff auf Hannover, so dass man sich heute auf Rekonstruktionen stützen muss, die anhand von Faksimiles des 19. Jahrhunderts erstellt wurden.
Eine digitale Rekonstruktion des Monumentalwerks hat Hartmut Kugler von der Universität Erlangen-Nürnberg vorgenommen und 2007 in Buchform gemeinsam mit einem ausführlichen Kommentarband publiziert. Beide Bände sind nun nochmals als Sonderausgabe erschienen. Schlägt man den Kartenband auf, so kann man sich sogleich der faszinierenden Vielfalt der Darstellungen und Beschriftungen nicht entziehen: Gebäude und Flüsse, Tiere, Menschen und Fabelwesen, Biblisches und Irdisches wirken bei den etwa 800 von Kugler akribisch erläuterten Zeichnungen zusammen. Die Karte zeigt viel mehr als nur die Erdoberfläche, wie man sie sich um 1300 vorstellte: In einer Verschmelzung von Erfahrung und Erfindung ist sie zugleich ein Andachtsbild mit Jerusalem in der Mitte, enthält eine Weltchronik und ist zudem ein Lexikon mit vielen naturkundlichen, historischen und theologischen Informationen. So kann die Ebstorfer Weltkarte als eindrückliche Visualisierung des mittelalter‧lichen Weltbildes schlechthin verstanden werden.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Die Ebstorfer Weltkarte
Die größte Karte des Mittelalters
Herausgegeben von Hartmut Kugler. Band 1: Atlas. Band 2: Untersuchungen und Kommentar
wbg Edition, Darmstadt 2020, 175 und 370 Seiten, € 250,–