Am 31. August 1921 wurde Matthias Erzberger zu Grabe getragen. Der Zentrumspolitiker, Finanzminister und Unterzeichner des Waffenstillstandsabkommens von 1919 war Opfer eines Attentats von Rechtsextremisten geworden. Mit seiner wegweisenden Steuerpolitik, die mehr soziale Gerechtigkeit schuf, vor allem aber durch sein Eintreten für eine europäische Friedensordnung war er zum Hassobjekt von Kreisen geworden, die keine Lehren aus dem verlorenen Weltkrieg ziehen wollten und die junge Weimarer Republik ablehnten.
Benjamin Dürr hat eine spannende Biographie geschrieben, in der er die wichtigsten politischen Stationen dieses „Mannes der Extreme“ schildert, uns aber auch den Menschen Erzberger nahe-bringt: Als intelligent und prahlerisch, weitsichtig und opportunistisch, als ungehobelt und kühn beschreibt er den im Schwäbischen in einfachen Verhältnissen aufgewachsenen Katholiken, der als Reichstagsabgeordneter die Interessen der kleinen Leute, der Handwerker und Arbeiter, vertrat. Dem gewieften Medienpolitiker gelang durch pointierte Kritik an der deutschen Kolonialpolitik der Aufstieg. 1914 wollte Erzberger noch die Weltherrschaft Deutschlands befördern, doch schon 1916 begriff er, dass der Krieg nicht zu gewinnen war und setzte sich für einen frühen Friedensschluss ein. Mit seiner Völkerverständigungsvision nach dem Krieg ist er bis heute wegweisend.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Benjamin Dürr
Erzberger
Der gehasste Versöhner
Biografie eines Weimarer Politikers
Ch. Links Verlag, Berlin 2021, 311 Seiten, € 25,–