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Mächtige Redekunst

Jon E. Lendon

Mächtige Redekunst
Rhetorik Macht Rom

dam0724bue04.jpgDas Werk des amerikanischen Althistorikers Jon E. Lendon behandelt die soziokulturelle Bedeutung und Wirksamkeit der Rhetorik im Imperium Romanum. Dabei befasst sich der Autor zunächst mit deren Stellenwert im Zusammenhang von Bildung und Ausbildung, bevor er sich mit der Ermordung Caesars, bestimmten Typen öffentlicher Bauten sowie dem römischen Recht konkreten Beispielen zuwendet, an denen ihm zufolge der Einfluss der Rhetorik abschätzbar gemacht werden könne. Sein Grundgedanke lässt sich wie folgt zusammenfassen: Durch ihre rhetoriklastige Ausbildung entwickelten römische Aristokraten seit spätrepublikanischer Zeit eine rhetorisierte Perspektive auf die Welt und sich selbst, wodurch vergangenes Handeln entsprechend eingeordnet, aber auch künftiges Handeln entsprechend angegangen wurde. Wenn sich also etwa antike Berichte über die Ermordung Caesars lesen wie effektvolle Inszenierungen, so liegt das nach Lendon weniger daran, dass deren Autoren das Geschehene nachträglich rhetorisch in Szene gesetzt hätten, sondern daran, dass die Handelnden von vornherein in solchen Kategorien dachten und planten.

Das kann man als innovativ, gar revolutionär ansehen, oder zumindest als anregend – doch freilich wird man Lendons Ansatz nicht in jedem möglichen Beispielfall gleichermaßen überzeugend finden. Denn konsequent zu Ende gedacht hieße diese Priorisierung von Inszenierung kaum weniger, als den antiken Protagonisten die Fähigkeit zur pragmatischen Reflexion und Handlungsplanung abzusprechen. Demgegenüber ist aber auch die Frage berechtigt, ob öffentliches Handeln und Politik im weitesten Sinn überhaupt ohne Inszenierung denkbar sind. Aus einer solchen Perspektive heraus wäre wiederum der mitunter hohe Grad an „Rhetorisierung“ der von Lendon analysierten Fallbeispiele nur bedingt überraschend und die Rhetorik letztlich nur ein zeitgenössisch besonders bedeutender Bezugsrahmen.

Doch es wäre müßig, Lendons Buch aufgrund solcher Überlegungen zu kritisieren – denn nicht umsonst betont er bereits in der Einführung, „dass die Argumentation dieses Buchs spekulativ“ sei (Seite 11), da der Einfluss von Bildung auf die Weltsicht und das Handeln von Menschen letztlich nicht messbar ist und ein unmittelbarer Zusammenhang nur plausibel gemacht, aber nicht bewiesen werden kann. Entsprechend schließt er auch sein letztes Kapitel in stark relativierender Weise ab (Seite 185): „Die führenden Köpfe der Gesellschaft aber lebten in der [rhetorischen] Wolke, und um ihr Leben und Denken herum wirbelte diese Wolke – aber nicht alle von ihnen und nicht die ganze Zeit.“ In einer solchermaßen eingeschränkten Form dürfte Lendons Ansatz den meisten Lesern und Leserinnen durchaus plausibel erscheinen. So oder so lässt sich sagen, dass Lendon einen durchaus erfrischenden Blick auf die Rolle wirft, die die Rhetorik für die soziale Wirklichkeit im Imperium Romanum spielte, womit er völlig zu Recht ältere Anschauungen, die die Redekunst als eitlen, leeren Tand ohne nennenswerte historische Bedeutung abtun wollten, über den Haufen wirft.

Rezension: Dr. Jonas Scherr

Jon Edward Lendon
Rhetorik Macht Rom
Die Kraft der Redekunst im Imperium Romanum
wbg Theiss, Darmstadt 2023, 352 Seiten, € 32,–

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