Der Nil ist Zentrum und Lebensader einer ganzen Region. Elf Staaten teilen sich den etwa 6800 Kilometer langen Wasserlauf, etwa 1000 verschiedene Ethnien haben hier ihre Kulturen und Gemeinschaften ausgebildet. Der norwegische Historiker und Geograph Terje Tvedt ist Spezialist für die Geschichte der Nilregion und hat nun ein schön geschriebenes Werk vorgelegt, in dem er nicht nur, wie es viele andere Publikationen tun, um Ägypten kreist. Stattdessen berücksichtigt er auch die anderen Staaten, die vom Lebensstrom Nil beeinflusst werden: den Sudan und Südsudan, Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda, die Demokratische Republik Kongo und Burundi, Eritrea und Äthiopien. Und schließlich ist auch Europa mit dem Strom verbunden – schon allein sein Name kündet davon, denn er leitet sich vom altgriechischen Neilos ab.
Tvedt schlägt große Bögen. Er schildert die Geschichte der jeweiligen Staaten, wie sie sich vor allem seit dem 19. Jahrhundert bis heute in Verbindung mit dem Nil darstellt. Diese Geschichte ist tiefgreifend von den kolonialen Interventionen der Europäer bestimmt worden. So sandten die Engländer Expeditionen, um den Lauf des Nils zu erkunden, und entdeckten die großen Seen in Ostafrika als Wasserreservoir des weißen Nils – was ihre Kolonialpolitik in Ägypten massiv beeinflusste. Das lehrreiche Buch lässt allerdings eine Karte vermissen, die doch der Verfasser selbst zum Verständnis der Nilregion für unabdingbar hält.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Terje Tvedt
Der Nil
Fluss der Geschichte
Ch. Links Verlag, Berlin, 2. Aufl. 2021, 592 Seiten, € 35,–